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Deutsche Siedlungsgebiete im Jura

Der Deutschschweizerische Schulverein hat im Herbst 1992 eine Informationsschrift herausgegeben, die als erstes das Tätigkeitsfeld der Vereinigung umreisst: Wie der Name bereits andeutet, geht es ihr vor allem darum, deutschsprachige Schulen in bedrängten Randgebieten zu unterstützen. Die Schrift enthält aber auch viel allgemein Wissenswertes. So befasst sich ein sehr lesenswerter Artikel des Präsidenten Rolf Marti mit den deutschen Siedlungsgebieten im Jura. Ausführlich schildert der Verfasser die wechselvolle Geschichte der Region im Nordwesten unseres Landes: Auf die Kelten folgten germanische Alemannen und Burgunder. Im 8. Jahrhundert vollzog sich die fränkische Einteilung in Gaue; der Elsgau (Ajoie) wird 735 zum ersten Mal urkundlich erwähnt – Im St. Immertal gehen die meisten Ortsnamen auf germansiche Burgundernamen zurück – in Cortebert ist der Name des germanischen Ortsgründers in der Bezeichnung einer Strasse und eines Feldes bis heute erhalten geblieben: Courte und Champ d’Agibert.

In den Haupttälern und Ebenen lebte bereits im frühen Mittelalter eine gemischte Bevölkerung mit wechselnden Mehrheiten. Dieshat sich über Jahrhunderte gehalten. In Münster (Moutier) war im 16. Jahrhundert das Deutsche die Umgangssprache, Neuenstadt (La Neuveville) wurde 1312 von den Fürstbischöfen als deutschsprachige Stadt gegründet, in der sich aber auch die Bewohner des einstigen Städtchens Bonneville im Val de Ruz niederlassen durften. Übrigens weist auch die deutsche Wortstellung in «La Neuveville» auf die ursprüngliche Gründung hin.

Die Freiberge waren anfangs sehr schlecht besiedelt. Dieses Gebiet wurde zuerst Montagne-des-Bois (Waldberge), später Falkenberge geheissen. Da die Besiedelung der unerschlossenen Region den Fürstbischöfen zu langsam erfolgte, gab Fürstbischof Imer von Ramstein 1384 einen Freiheitsbrief zur Urbarmachung heraus, dieser führte zum heutigen Namen Freiberge. Dem zeitlich unbegrenzten Freibrief folgten später auch die Täufer nach. – Dass sich die Urbarmachung des Gebietes über Jahrhunderte hinzog, er-sieht man daran, dass die Fürstbischöfe die Kastanei Saignelegier / Sankt Leodegar erst 1650 erbauten.

Der fürstbischöfliche Staat setzte das Katholikentum auch dann noch auf seine Fahnen, als die Mehrheit seiner Untertanen bereits reformiert geworden war. Dank der Duldung durch Nachbarn konnte sich das eigen-artige Staatsgebilde über längere Zeit behaupten. Der Zerfall zeigte sich dann, als die Fürstbischöfe den evangelischen Täufern die Niederlassung erlaubten. Vorerst liessen sich die Täuferfamilien im Süden nieder; im 17. und 18. Jahrhundert stiessen sie auch in die Freiberge vor. Noch heute weisen zahlreiche Flurnamen in den östlichen Freibergen auf ihren täuferischen Ursprung hin. So hiess beispielsweise die Vacherie-de-Lajoux bis 1890 Vacherie Johannes. – Viele täuferische Flurnamen wurden und werden verwelscht, wie Bomatte zu La Baumatte, Neuhaus zu Maison Neuve, Paradies zu Le Paradis.

Um die ständigen Konfessionsstreitigkeiten zu beenden, verlangte Bern vom Fürstbischof eine Entscheidung. Sie wurde gefunden und im Vertrag von Aarberg 1711 besiegelt. Der Bischof liess die Reformierten von Delsberg und Umland nach Münster übersiedeln, die Katholiken von dort nach Delsberg. So wurde eine scharfe Grenze gebildet, wie noch heute das Kreuz am St.-Jean-Felsen bei Roches BE zeigt.

Biel und Bözingen hatten ursprünglich nur eine deutschsprachige Bevölkerung. Die wenigen Welschen mussten sich der deutschen Amtssprache anpassen, wenn sie das Bürgerrecht erwerben wollten.

Eine Untersuchung der Flurnamen am linken Bielersee-Ufer hat ergeben, dass die Mehrzahl deutschen Ursprungs sind, in Schafis sogar ausschliesslich. Beim Ortsnamen Twannkönnte man vermuten, er stamme vom franz. «douane» ab. Dies stimmt indessen weder sprachlich noch sachlich: Douane ist ein orientalisches Fremdwort und erst seit dem 14. Jahrhundert gebräuchlich. Zudem waren die Zollstationen im Fürstbistum in Neuenstadt und Biel. All dies beweist, dass das Deutsche nicht erst seit dem 17. Jahrhundert das Ufer des Bielersees erobert hat.

Die meisten der deutschen Flurnamen sind amtlich nicht anerkannt, auch wenn die Höfe deutsche Gründungen sind. Teilweise wurden sie übersetzt, z.B. Mittelberg – Montagne du Milieu oder der französischen Lautung angepasst: Hubel – Le Houbel, Kohl-graben – La Colgrabe. Bei einer Reihe von Bezeichnungen wurden französische Artikel dem deutschen Namen vorangestellt: La Brotheiteri, Le Grimm, La Schnegg!

Abschliessend bringt Rolf Marti eine An-zahl von deutschen Familiennamen, die im Laufe der Zeit geändert wurden. Hier nur eine kleine Auswahl: Ackermann – Labourel, Alle-mann – Allemand, Balmer – Baumat, Bauder – Badere, Berlinsdorf – Berlincourt, Bigeli – Beguelin, Dietschi – Tieche, Erhard – Erard, Hügli – Huguelet, Rölli – Rollat. – Der Schriftsteller Blaise Cendrars hatte übrigens den bürgerlichen Namen Frederic-Louis Sauser.

Beim Lesen des ausführlichen Berichtes überkommen einen immer wieder die Fragen, wie weit die von den Romands hochgehaltene «ethnie francaise» im Jura und die Forderung des Kantons Jura nach einer Einverleibung des südlichen Teils wirklich berechtigt sind.


Zusammenfassung: Kurt Meister

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