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Wachet auf! oder 400 Jahre Engelsang

(pgw) Eine Betrachtung zu einem Kirchenlied von Philipp Nicolai von 1599 (siehe auch Bach-Kantate «Wachet auf ruft uns die Stimme», BWV 140)
Die Schluss-Strophe des bekannten und weit verbreiteten Liedes lautet wie folgt:

Gloria sei Dir gesungen
mit Menschen- und englischen Zungen,
mit Harfen und mit Zimbeln schon.
Von zwölf Perlen sind die Pforten.
An Deiner Stadt sind wir Konsorten
der Engel hoch um Deinen Thron.
Kein Aug’ hat je gespürt,
kein Ohr hat je gehört solche Freude.
(vgl. l. Kor. 2,9)
Des sind wir froh,
io, io!
Ewig in dulci jubilo.

Zwei für heutige Ohren unübliche Wortbedeutungen fallen uns in diesem Text auf. Zum einen ist es der Begriff «Konsorten» – hier ohne jeglichen abwertenden Nebenge-schmack. Und zum andern «englisch» als Adjektiv zu «Engel» – in älterer Zeit noch ganz geläufig, aus dem heutigen Sprachgebrauch praktisch verschwunden! Mit ebendieser Bedeutung sind in meinem alten Brockhaus von 1908 unter «englisch» noch die Begriffe Englischer Gruss (s. Ave Maria) und Englischer Lobgesang (lat. Hymnus angelicus, Lobgesang der Engel Luk. 2,14) aufgeführt.
Im (ironisch-)übertragenen Sinn aber stehen wir, wie seinerzeit die wackeren Verteidiger auf der Stadtmauer von Murten, wachsam auf unseren Posten, Bubenbergs Anweisungen allzeit gewärtig, und beobachten mit argwöhnischem Blick und lauschen mit geschärftem Gehör, wie die englischen Zungen – zwar nicht aus dem Jenseits, doch immerhin von jenseits des Ozeans – unsere Sprache mehr und mehr «anreichern». Ob solchem «Engelsang» (von Managern, PR-Gurus und Konsorten) sind wir mittlerweile nicht mehr so entzückt wie damals die Hirten auf Bethlehems Fluren – vor schon fast fünfmal 400 Jahren…!

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