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Vom Wert der Übersetzung

Sie können Sprachen und Zahlen mal so betrachtenDie erweiterte EU ist kein Spracheneintopf – aber mit einer Fortsetzung der«Anglifizierung» muss gerechnet werden

Die Bewahrung der Sprachenvielfalt ist etwa zum Preis einer Tasse Cappuccino pro Bürger und Jahr zu haben. Diesen bescheidenen Preis hat der Sprachendienst der EU- Kommission den Medien vorgerechnet.

Der EU-Dolmetscherdienst betreut täglich zwischen 50 und 60 Sitzungen
in und um Brüssel. Jeden Tag sorgen zwischen 700 und 800
Übersetzer in Dolmetscherkabinen für die sprachliche Verständigung
zwischen den Vertretern aus 25 Ländern. Die Übersetzung jeder EU- Sprache in jede andere wird in der Regel nur bei Ministertreffen geboten. Bei 20 Sprachen verlangt dies
ein Aufgebot von mindestens 60 Dolmetschern und die Vermittlung
teilweise über «Brückensprachen», also beispielsweise vom Griechischen
ins Englische und von dort ins Finnische. Noch weniger Dolmetscher
verlangt das asymmetrische Sprachenregime: Jeder kann sich zwar in
seiner eigenen Sprache ausdrücken, aber übersetzt wird nur noch
beispielsweise ins Englische, Deutsche und Französische.

In der erweiterten EU müssen auch mehr Schriftstücke übersetzt werden.
Die Kommission nimmt an, dass sich die Zahl der zu übersetzenden
Seiten von jetzt knapp 1,5 Millionen pro Jahr bis 2005 auf rund 2,4
Millionen erhöhen wird. Zu den bestehenden elf Sprachen sind zehn neue getreten: Polnisch, Ungarisch, Lettisch, Estnisch, Litauisch,
Tschechisch, Slowakisch, Slowenisch und Maltesisch.

Auch im schriftlichen Verkehr versucht die Kommission durch die
aktive Förderung der Fremdsprachenkenntnisse ihrer Mitarbeiter die
Übersetzungskosten zu senken. Vorlagen für die Kommissionssitzungen
werden lediglich in den Arbeitssprachen Englisch, Französisch und
Deutsch vorgelegt. Die zunehmende Verbreitung des Englischen in der
Kommissionsverwaltung führt – sehr zur Frustration der Franzosen –
auch dazu, dass oft die Dokumente schon in dieser Sprache verfasst
werden und deshalb auch zuerst in der Version der modernen «Lingua
franca» im Presseraum aufliegen. Aus den neuen Mitgliedstaaten haben von den
Kandidaten für EU-Stellen rund 70 Prozent Englisch, 18 Prozent Deutsch und bloss 16 Prozent Französisch als ihre Hauptfremdsprache angegeben haben.
Quelle: NZZ 2004 (gekürzte Bearbeitung SKD)

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