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Von gemütlich bis grell

Deutschschweizer Dialekte

Im 19. Jahrhundert galt Mundart im Vergleich zur Hochsprache noch als verderbt und armselig. Erst im Rahmen der Geistigen Landesverteidigung wurden die Dialekte bewusst gepflegt und gefördert. Seit längerem ist ein regelrechter Mundart-Boom im Gang – auf Kosten des Hochdeutschen, das als Arbeits- und Unterrichtssprache wahrgenommen wird: als Sprache der Distanz.

Obwohl Hochdeutsch in der Verfassung als offizielle Landessprache definiert ist, wird es von vielen als «Fremdsprache» bezeichnet und entsprechend selten benutzt. Auch aus den Medien und dem öffentlichem Leben wird Hochdeutsch zunehmend verdrängt, wie der Entscheid, das Wetter im Schweizer Fernsehen künftig in Mundart zu moderieren, verdeutlicht.

Im Alltagsverständnis werden die Deutschschweizer Dialekte den einzelnen Kantonen zugeordnet, was, linguistisch betrachtet, unsinnig ist, da Dialekte nicht vor Kantonsgrenzen halt machen. Sprachliche Überlappungen sind häufig, innerhalb eines Kantons, auch innerhalb einer Stadt können verschiedene Dialekte koexistieren. Ausser in den deutschsprachigen Kantonen wird auch in einzelnen jurassischen Gemeinden deutsche Mundart gesprochen, ebenso in Walsersiedlungen wie Bosco/Gurin im Kanton Tessin.

Aufgrund des gesellschaftlichen Wandels, der wachsenden Mobilität und Assimilation der Zugereisten beobachten Linguisten eine zunehmende Vermischung der einzelnen Dialekte, was als «Bahnhofbuffet-Olten-Effekt» bezeichnet wird. Auch die sozialen Unterschiede innerhalb eines Dialektes werden geringer. Noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts konnten grosse Unterschiede zwischen der Aussprache der Oberschicht (Basler Daig, Zürcher Zunft-Gesellschaft, Berner Bürgertum usw.) und derjenigen der Mittelschicht oder Landbevölkerung ausgemacht werden. Experten sprechen auch hier von einer Nivellierung.

Schon seit je wird darüber gestritten, welche Region den schönsten Dialekt hat. Es gibt mehrere wissenschaftliche wie kommerzielle Studien und Umfragen dazu. In der Regel wurden Männer und Frauen deutschsprachiger Kantone dazu aufgefordert, die einzelnen Dialekte zu bewerten (Rang) und mit Adjektiven aus einer bestehenden Liste zu versehen (Einstellung). Dabei konnten meist nur die grossen und wichtigsten Mundart-Räume berücksichtigt werden. Die Ergebnisse dieser Befragungen unterscheiden sich nur unwesentlich. Sie haben sich über all die Jahre kaum verändert.

Die Rangfolge

1. Rang: Berndeutsch. Dank Sympathieträgern wie Mani Matter oder Adolf Ogi an der Spitze. Laut Studien gilt der Dialekt als gemütlich, freundlich, warm.
2. Rang: Bündnerisch. Attraktiv wegen der Skilehrer, der Natur und Zarli Carigiets Ausstrahlung. Die Umfragen sagen: heimelig, warm, abwechslungsreich.
3. Rang: Walliserdeutsch. Wird kaum verstanden, doch mit dem Matterhorn und kauzigen Menschen assoziiert. Laut Studien: urchig, lebhaft, fremd. (…)
[es folgen Uri, Basel, Luzern, Zürich, Appenzell, St. Gallen Thurgau]

Die Tabelle basiert auf folgenden Studien: Prof. Roland Ris, 1973; Prof. Iwar Werlen, 1985; Link-Institut für Markt- und Sozialforschung, 2002.

Aus NZZaS vom 11. Juni 2006 (gekürzte Bearbeitung skd)

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