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Ein Weg ohne Ende

Ein besserer Rucksack für Studienanfänger
Zürcher Analysen und Empfehlungen

wbi. Manche Zürcher Maturanden weisen Defizite im selbständigen Lernen, im Textverständnis, in der Schreibkompetenz, aber auch bei mathematischen und naturwissenschaftlichen Fachkenntnissen auf. Erstmals im deutschen Sprachraum haben sich in Zürich Hochschuldozenten und Mittelschullehrer zusammengesetzt, um Fach für Fach zu klären, was von Studienanfängern konkret erwartet werden kann. Im Rahmen des Projekts Hochschulreife und Studierfähigkeit haben sie über 200 Empfehlungen zur Verbesserung des Ubergangs ins Hochschulstudium vorgestellt. Die freiwillige Umsetzung hat bereits begonnen.

Wer am Ende der Mittelschulzeit ein Zürcher Maturzeugnis in die Hand gedrückt bekommt, ist «studierfähig» und «hochschulreif». Er oder sie kann an einer beliebigen Schweizer Hochschule praktisch jedes Studium aufnehmen. Das ist fast einzigartig. Viele Universitäten im Ausland wählen ihre Studenten aus. im globalisierten Wettbewerb mag das Schweizer System des allgemeinen Hochschulzugangs em Nachteil sein. Solange die Maturität ein verlässlicher Qualitätsausweis ist, fällt dieser Nachteil aber kaum ins Gewicht. Es liegt deshalb im ureigenen Interesse der Hochschulen und der Mittelschulen. dass Maturandinnen und Maturanden gut gerüstet zum Studium antreten. Was aber heisst «gut gerüstet»? […]

Auch die schwergewichtig mit der Neugestaltung der Studiengänge nach den Vorgaben der Bologna Reform beschäftigten Hochschulen haben wenig zur Klärung dieser Frage beigetragen. Ihre Vertreter haben sich eher dadurch hervorgetan, dass sie immer wieder Zweifel an der Qualität des Nachwuchses angemeldet haben zu Recht und manchmal auch zu Unrecht. Bei den Mittelschulen, deren Ressourcen von einer Vielzahl von Reformvorhaben und Sparübungen absorbiert waren, hat dies Verunsicherung ausgelöst. Wie sich jetzt zeigt, haben sie darauf richtig reagiert: Sie fragten bei Universität und ETH nach, wie die Maturlehrgänge besser an die Anforderungen der Hochschulen anzuschliessen wären.

Was aus dieser Initiative in den letzten zwei, drei Jahren entstanden ist, stellt beiden Partnern ein gutes Zeugnis aus. Sowohl der gewählte Weg wie das Ergebnis sind in der deutschsprachigen Bildungslandschaft einzigartig. Erstmals haben sich Universitäts¬dozenten und Gymnasiallehrer zusammengesetzt, um sich Fach für Fach über Inhalte zu verständigen, die gegenseitigen Erwartungen zu klären und so gemeinsam Verantwortung für den Studienerfolg ihrer Schützlinge zu übernehmen. Die weitgehend abstrakten Begriffe der Hochschulreife und der Studierfähigkeit haben dadurch Gesichter bekommen. Diese sind allerdings Alterungsprozessen unterworfen. Soll es an der Schnittstelle zwischen Hoch und Mittelschulen nicht erneut zu Unsicherheiten kommen, muss der eben erst begonnene Dialog verstetigt werden. Darin liegt die eigentliche Herausforderung des eingeschlagenen Wegs.

NZZ, 14. Jan. 2009

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