„Englisch zu Beginn? Ein Fehler!“
¨Welche Sprachen sollten Schüler lernen?
Das sprachenpolitische Ziel(in Europa) [… ] ist echte Mehrsprachigkeit. Jeder Schüler
sollte sich, abgesehen von seiner Muttersprache, in zwei Sprachen
verständigen können. Leider sind wir davon noch weit entfernt. Ein großer
Fehler ist, dass wir den Kindern als erste Fremdsprache ausgerechnet Englisch
beibringen.
Das sagen Sie als Anglist?
Ja, sicher. In keine Sprache fällt der Einstieg so leicht wie ins Englische
mit seiner relativ einfachen Grammatik und Allgegenwärtigkeit. Ich bin sehr
dafür, mit dem Fremdsprachenunterricht schon in der Grundschule zu beginnen –
mit schwierigeren Sprachen wie Französisch oder Spanisch. Die Kinder hätten
mehr Zeit, diese Fremdsprachen einzuüben.
Welche zweite Fremdsprache sollten Eltern für ihre Kinder wählen?
Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass diese Sprache nicht nach wenigen
Jahren abgewählt wird. Nur längerfristiges Lernen ermöglicht es, sich in
Fremdsprachen zu verständigen. Französisch, Spanisch oder Italienisch bieten
sich alle als zweite Fremdsprache an.
Der Schulalltag allein reicht also nicht, um Fremdsprachen wirklich
einzuüben?
Nein. Wenn es die Möglichkeit zum Schüleraustausch gibt, sollten Eltern das
nutzen. Man kann fremdsprachige Theateraufführungen oder Kinofilme ansehen
oder ein Urlaubsziel wählen, in dem die erlernte Sprache gesprochen wird.
Wie sinnvoll ist es Chinesisch oder Japanisch zu wählen?
Sehr sinnvoll. Weil die Weltwirtschaft immer enger miteinander verflochten
ist, können solche Sprachen fürs Berufsleben nützlich sein. Das gilt ebenso
für Russisch und Polnisch.
Wolfgang Zydatiß ist Professor emeritus für Didaktik der englischen Sprache und
Literatur an der Freien Universität Berlin. Mit ihm sprach Werner Kurzlechner.
Tagesspiegel vom 20.Jan. 2009