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Verludert und verluthert?
Der Theologe und Publizist Friedrich Schorlemmer widmet sich dem Umgang mit der deutschen Sprache

Wittenberg/MZ. Sprache fängt bei der Begrüßung an. Schon das ist Friedrich Schorlemmer einen treffenden Satz wert. „Seit ,Hallo“ gesagt wird, bin ich für ,Grüß Gott““, nimmt der Theologe und Publizist die neuesten Sprachschöpfungen aufs Korn. „Luther und die Verluderung der deutschen Sprache“ bietet er am Sonnabend zum Wittenberger Fest „Luthers Hochzeit“ an. „Luther hieß eigentlich Luder. Und das Verludern wird in Wittenberg zum Verluthern“, spielt Schorlemmer mit Worten.

Suche nach dem Wort

Dabei hat der Reformator mit der Bibelübersetzung Monumentales geleistet. Er hat Wort und Sinn übertragen und sogar die Sätze rhythmisch und melodisch überprüft. „Luther war zeitlebens auf der Suche nach dem Wort, das trifft und zutrifft“, erklärt Schorlemmer. Diese Feinheiten beachtet heute kaum mehr jemand. Statt „gut“ sagt man „cool“. Dabei gibt es rund 50 Synonyme, treffende und sehr viel mehr aussagekräftige Worte für das an sich schon unübertreffliche „gut“. Schorlemmer plündert förmlich Dornseiffs „Deutschen Wortschatz“ und zählt auf, was vielen schon vergessen schien.

In Sprache schwelgen, diesen im wahren Sinne „Wort-Schatz“ voll heben und ausschöpfen, das ist es, weshalb auch zu einem Volksfest wie „Luthers Hochzeit“ der Saal voll ist, wenn sich Friedrich Schorlemmer der deutschen Sprache widmet. „Alles ist vorgedacht und vorgedruckt. Das Klicken der Maustaste ersetzt das Klicken im Kopf“, kritisiert er Schlagworte auf „Bild“-Niveau. Warum muss es immer nur ein Wort für komplexe Dinge sein? Warum wird die Poesie in der deutschen Sprache nicht mehr gepflegt? „Die Sprache verkommt sogar in der Kirche“, macht Schorlemmer auch vor dem eigenen Haus nicht halt. „Bischöfe sagen: ,Wir sind gut aufgestellt“. Als ob die Kirche mit Bayern München vergleichbar wäre.“

Dabei sollte, so seine Meinung, gerade die Kirche sprachbildend wirken. Mit Luthers Bibelübersetzung habe sie ein unübertroffenes Instrument in der Hand – Volkssprachkunst nämlich. Etwa 450 geflügelte Worte sind aus der Bibel umgangssprachlich erhalten – allerdings werden sie oft genug als Versatzstücke gebraucht, ohne ihre wahre Bedeutung zu kennen. „Die moderne effiziente Arbeit hat den Menschen ärmer gemacht“, nennt Friedrich Schorlemmer auch einen der Gründe für gängige Sprachverkürzungen und -verhunzungen. Acht Stunden Monotonie ohne Kommunikation, danach die bunten Laufbilder des Fernsehens lassen das, „was den Menschen von den anderen Tieren unterscheidet“, verkümmern.

Alles cool, oder was?

Der Verlust reiche bis zu traditionellen Begrüßungsformeln. Statt sich einen Guten Tag zu wünschen, heißt es „Hallo, cooles Wetter heute.“ Und alles ist total spannend. „Wenn wir Deutsche mit eigener Sprache bleiben wollen, sollten wir sie nicht der Computersprache und der Denglisierung anpassen“, warnt Schorlemmer. Schon 1470 hatte ein Italiener gemeint, die Deutschen würden stinken und hätten keine eigene Sprache.

Schönes Sächsisch

Der Mensch ist ein kommunikatives Wesen, aber es muss schnell gehen. Warum sich die Mühe machen, einen sprachlich schönen Satz zu feilen, wenn dies andere schon getan haben? „Recherchieren stiehlt die Zeit, die ein neuer eigener Gedanke braucht“, wendet sich Schorlemmer gegen das allgegenwärtige „Ergoogeln“ und für eine gepflegte Konversation, die noch einen anderen Aspekt enthält. „Sprache bringt uns zusammen und Sprache verrät uns.“ Es gebe kaum ein Land mit so vielen Dialekten und gegenseitiger Abwertung der Dialekte. Schorlemmer schmunzelt und schlägt dann selbst in die Kerbe: „Seit ich die Schwaben sprechen höre, halte ich das Sächsische für einen ordentlichen deutschen Dialekt.“

Von Karina Blüthgen, Mitteldeutsche Zeitung, 15. Juni 2009

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