Die neue Rechtschreibung und die Gestalt eines Textes
Eingabe an die nationalrätliche Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur
Sehr geehrte Damen und Herren Nationalräte
Nach dreizehn Jahren versuchter Verbesserung gibt die neue Rechtschreibung unseren Texten
noch immer keine feste Gestalt.
Lichtenbergs Aphorismus „Mir tun viele Dinge weh, die andern nur leid tun“ wurde acht
Jahre lang in diese Form gezwungen: „Mir tun viele Dinge weh, die andern nur Leid tun“.
Das ist korrigiert worden, dafür schreibt die neueste Doktrin der Reformer die Formel „recht
und gut daran tun“ zu „Recht und gut daran tun“ um.
Wenn unser Kollege Thomas Hürlimann von Bibliothekaren schreibt, die „gräulich verstaubt“
sind, und so die Farbe des Staubs bezeichnet, so wollen die Reformer, dass mit diesem
„gräulich“ auch „greulich“ gemeint sein kann. Im neuen Schweizer Schülerduden schliesslich
lesen wir, dass ein „wohl bekannter“ Schriftsteller dasselbe sei wie ein „wohlbekannter“
Schriftsteller. Wir sind der Meinung, dass es nicht reicht, wohl bekannt zu sein, um flugs als
wohlbekannt zu gelten.
Friedrich Dürrenmatt sagte 1954, als eine Vorform der aktuellen Reform eingeführt werden
sollte: „Ändert man die Orthographie, ändert man die Sprache. Gegen Sintfluten kann man
nicht kämpfen, nur Archen bauen: Nicht mitmachen.“ Heute werden Autorinnen und Autoren
mit dem Hinweis auf angebliche Bedürfnisse der Schule unter Druck gesetzt und sollen
entgegen der besseren Einsicht mitmachen und sich an untaugliche und letztlich beliebige
Regeln halten.
Wir erwarten im Gegenteil von der Schule, dass Schülerinnen und Schüler, also unsere
zukünftigen Leserinnen und Leser und vielleicht selbst einst Autoren, sorgfältig in die
Formen des schriftlichen Ausdrucks eingeführt werden. Sie dürfen nicht den Eindruck
erhalten, dass an der Gestalt eines Textes eigentlich nichts liegt.
Wir erwarten, dass die von uns gewählte Gestalt eines Textes respektiert wird.
Wir ersuchen die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur, ihre Verantwortung
wahrzunehmen und dafür zu sorgen, dass das amtliche Regelwerk endlich unabhängig von
Politik, Ideologie und wirtschaftlichen Interessen korrigiert wird und dass die neue
Rechtschreibung in der dafür nötigen Zeit in Schule und Verwaltung ausgesetzt wird.
Für einen gangbaren Weg halten wir die Empfehlungen der Schweizer Orthographischen
Konferenz (SOK).
Freundliche Grüsse
Im Namen von Vorstand und Geschäftsleitung
Francesco Micieli, Präsident AdS und Nicole Pfister Fetz, Geschäftsführerin AdS
Zürich, 20. August 2009
Die neue Rechtschreibung und die Gestalt eines Textes
Eingabe an die nationalrätliche Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur
Sehr geehrte Damen und Herren Nationalräte
Nach dreizehn Jahren versuchter Verbesserung gibt die neue Rechtschreibung unseren Texten
noch immer keine feste Gestalt.
Lichtenbergs Aphorismus „Mir tun viele Dinge weh, die andern nur leid tun“ wurde acht
Jahre lang in diese Form gezwungen: „Mir tun viele Dinge weh, die andern nur Leid tun“.
Das ist korrigiert worden, dafür schreibt die neueste Doktrin der Reformer die Formel „recht
und gut daran tun“ zu „Recht und gut daran tun“ um.
Wenn unser Kollege Thomas Hürlimann von Bibliothekaren schreibt, die „gräulich verstaubt“
sind, und so die Farbe des Staubs bezeichnet, so wollen die Reformer, dass mit diesem
„gräulich“ auch „greulich“ gemeint sein kann. Im neuen Schweizer Schülerduden schliesslich
lesen wir, dass ein „wohl bekannter“ Schriftsteller dasselbe sei wie ein „wohlbekannter“
Schriftsteller. Wir sind der Meinung, dass es nicht reicht, wohl bekannt zu sein, um flugs als
wohlbekannt zu gelten.
Friedrich Dürrenmatt sagte 1954, als eine Vorform der aktuellen Reform eingeführt werden
sollte: „Ändert man die Orthographie, ändert man die Sprache. Gegen Sintfluten kann man
nicht kämpfen, nur Archen bauen: Nicht mitmachen.“ Heute werden Autorinnen und Autoren
mit dem Hinweis auf angebliche Bedürfnisse der Schule unter Druck gesetzt und sollen
entgegen der besseren Einsicht mitmachen und sich an untaugliche und letztlich beliebige
Regeln halten.
Wir erwarten im Gegenteil von der Schule, dass Schülerinnen und Schüler, also unsere
zukünftigen Leserinnen und Leser und vielleicht selbst einst Autoren, sorgfältig in die
Formen des schriftlichen Ausdrucks eingeführt werden. Sie dürfen nicht den Eindruck
erhalten, dass an der Gestalt eines Textes eigentlich nichts liegt.
Wir erwarten, dass die von uns gewählte Gestalt eines Textes respektiert wird.
Wir ersuchen die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur, ihre Verantwortung
wahrzunehmen und dafür zu sorgen, dass das amtliche Regelwerk endlich unabhängig von
Politik, Ideologie und wirtschaftlichen Interessen korrigiert wird und dass die neue
Rechtschreibung in der dafür nötigen Zeit in Schule und Verwaltung ausgesetzt wird.
Für einen gangbaren Weg halten wir die Empfehlungen der Schweizer Orthographischen
Konferenz (SOK).
Freundliche Grüsse
Im Namen von Vorstand und Geschäftsleitung
Francesco Micieli, Präsident AdS und Nicole Pfister Fetz, Geschäftsführerin AdS
Zürich, 20. August 2009