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Mit Fremdwörtern imprägnieren

Es war der wissenschaftliche Skandal des Jahres: 1996 veröffentlichte der US-Physiker Alan Sokal in der Zeitschrift <Social Text> einen Beitrag mit dem Titel <Die Grenzen überschreiten: Auf dem Weg zu einer transformativen Hermeneutik der Quantengravitation>. Wer dabei nur Bahnhof versteht, liegt goldrichtig. Sokal enthüllte seinen eigenen Text als totalen sprachlichen Unfug und kritisierte die Kritiklosigkeit, mit welcher die Herausgeber der Postille den Beitrag abgedruckt hatten.

Die <Sokalisierung> beschränkt sich nicht auf das wissenschaftliche Milieu. Längst treibt die sprachliche Überhöhung des Nichts auch anderswo bunte Blüten. Damit sind nicht nur die grassierenden Anglizismen wie <Es macht Sinn> (aus dem Englischen: <It makes sense>) oder das vor allem in der Finanzwirtschaft beliebte Denglisch (Deutsch-Englisch, zum Beispiel: <Der Event hatte wegen der Performance einen grossen Impact>) gemeint, sondem auch sinnfreie Wendungen, die schleichend Einzug in den Sprachgebrauch halten. So werden von Wirtschaftskapitänen munter <die Resultate kommuniziert>, wo es doch für Kommunikation mindestens zwei braucht, und die roten Zahlen schlicht bekanntgegeben werden. Jeder Sportler glbt zu Protokoll, er sei <definitiv positiv>, meint aber nicht Dopingmissbrauch, sondem Zuversicht. Und jeder Politiker will wissen, dass die Bürger <scheinbar> dies und das wollen, obwohl diese das in WirkIichkeit <anscheinend> tun.

In vielen Komödien von Wlliam Shakespeare kommen ungebildete Tölpel vor, die sich sprachlich einen geistreichen Anstrich geben wollen und dabei zum Gaudium des Publikums kläglich scheitern. Seit der Renaissance hat sich wenig geändert – etwa, wenn in sogenannten Reality-Formaten am Bildschirm von <maximalsten> Jobaussichten und … <perfektesten> Problemlösungen die Rede ist. Womit auch wieder einmal bewiesen wäre: Wenn es nicht einem sein Resort ist (ach, diese Formulierung/skd), sollte man nicht mit Fremdwörtern imprägnieren wollen.

Olivier Berger, Südostschweiz am Sonntag, 23. Mai 2010 



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