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Auf den Zahn gefühlt

Über die Herkunft von Redensarten und Redewendungen

Teil 2a

Verehrte Leserinnen und Leser, es geht weiter mit dem Thema „Redewendungen und Redensarten“. Ich hatte ja befürchtet, Sie würden mich dahin schicken, „wo der Pfeffer wächst“, weil Ihnen mein Aufsatz nicht gefallen hat, aber mir ist nichts dergleichen zu Ohren gekommen… –und somit wären wir schon mitten drin im Thema.

Einen unliebsamen Mitmenschen möchte man auch heute noch manchmal gerne dahin wünschen,

Wo der Pfeffer wächst, nämlich nach Ostasien. Dieser wenig schmeichelhafte Reisewunsch stammt aus dem Mittelalter, als die Kaufherren der Fugger und der Hanse mit dem begehrten Gewürz Handel trieben und Vermögen anhäuften. Der Pfeffer brachte ihnen auch die verächtliche Bezeichnung „Pfeffersäcke“ ein. Aber kaum jemand wusste so recht, wo der Pfeffer herstammte. Es war nur bekannt, dass dies sehr, sehr weit weg war. Im 19. Jahrhundert wurde die Redewendung auch auf Cayenne, die Hauptstadt von Französisch-Guayana bezogen, da sich dort eine Strafkolonie befand, die wegen des mörderischen Klimas berüchtigt war und der dort wachsende Cayenne-Pfeffer – eigentlich gemahlene Chilis – bekanntlich höllisch scharf ist.

Fremdländische Gewürze zu verwenden und Reisen in die entlegensten Gebiete unserer Erde sind für uns heute eine Selbstverständlichkeit. Die Geschmäcker sind aber bekanntlich verschieden. Nicht immer fährt man gemeinsam in Urlaub, und so heisst es dann von Freunden und Bekannten gleich, er oder sie wird zum

Strohwitwer/Strohwitwe: ein vorübergehend von seiner Frau getrennter Ehemann oder umgekehrt. Im heutigen Sprachgebrauch eine humorige, lustige Bemerkung, ausgesprochen mit einem kleinen Augenzwinkern. Aber – einen Strohwitwer gab es früher nicht. Die alte, ursprüngliche Bezeichnung „Strohwitwe“, im Niederdeutschen auch „Graswitwe“, war abfällig gemeint. Sie fand Verwendung für ein Mädchen, das seine Jungfräulichkeit im Freien verlor, also im Stroh oder auf Gras. Trat ein solches Mädchen vor den Traualtar, so durfte es keinen Myrthenkranz tragen, sondern nur einen Strohkranz („Strohbraut“). Ihr Fehltritt war damit für alle sichtbar und dabei war sie doch nur über beide Ohren verliebt gewesen –

Verknallt, wie wir dazu auch sagen. Ganz gleich, ob es ihn oder sie erwischt hat, es ist die schönste Sache der Welt. „Verknallt sein“ bedeutet, in jemanden verschossen sein. Eigentlich müsste es heissen „geschossen“ oder „angeschossen“, nämlich von Amors Pfeil getroffen. Der „Knall“, Sinnbild für die Schnelligkeit, mit der so etwas passiert, wenn man sich unerwartet verliebt, kam erst mit dem Aufkommen der Feuerwaffen dazu. Hat uns die Liebe erst im Griff, dann fühlt man sich wie

Im siebten Himmel. Man ist angekommen auf „Wolke Sieben“. Es besagt, überglücklich sein, höchste Wonne geniessen. Im Talmud der Juden und im Koran der Mohammedaner gibt es die Lehre von den „sieben Himmeln“. Im höchsten, dem Siebten, wohnt Gott. Im Christentum finden wir etwas Ähnliches, hier heisst es im Neuen Testament, 2. Kor 12,2: „…. ward derselbe entzückt bis in den dritten Himmel.“ Aber verliebt sein hat auch seine Tücken. „Liebe macht blind“, sagt man, und da ist es leicht, dass man jemandem

Ein X für ein U vormacht: Das soll heissen, jemanden betrügen, ihn hinters Licht führen. Das X ist sowohl ein Buchstabe als auch die römische Zahl zehn. Der Buchstabe U wurde früher wie V geschrieben und bedeutete somit auch die römische Zahl fünf. Wenn nun ein Gläubiger aus dem „V“ durch Verlängern der Striche ein „X“ machte, betrog er den Schuldner; denn aus der 5 wurde eine 10. Solche Machenschaften waren verhältnismässig leicht, denn schriftliche Abmachungen mit Durchschlag oder Abschrift waren weitgehend unbekannt, es genügte der Handschlag und die mündliche Vereinbarung. Zwar war dies rechtsgültig, aber mit der Beweiskraft bei Meinungsverschiedenheiten haperte es und somit konnte man ganz schnell

Etwas auf dem Kerbholz haben. In unserem heutigen Sprachgebrauch bedeutet diese Redensart, etwas begangen zu haben, kein reines Gewissen zu haben, sich etwas zu Schulden kommen lassen. Aber die ursprüngliche Bedeutung war eine ganz andere. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein waren auf dem Lande viele des Lesens und Schreibens unkundig. Damit dem Betrug nicht Tür und Tor geöffnet war, ersetzte ein „Kerbholz“ das geschriebene Schuldbuch, in dem die Verbindlichkeiten des Schuldners eingetragen waren. Es war, so könnte man sagen, die für jedermann lesbare Buchführung. In zwei aufeinander passende Stäbe wurden die Schulden eingekerbt. Einen Stab erhielt der Schuldner, den anderen behielt der Gläubiger. Zur Abrechnung schickte der Gläubiger seinen Stab an den Schuldner, der sich durch das Zusammenlegen der beiden Stäbe von der Richtigkeit der Forderung überzeugen konnte. Die Beweisführung war eindeutig und so konnte keiner sagen,

Mein Name ist Hase, ich weiss von nichts. Meister Langohr hat mit dieser Redewendung auch gar nichts zu tun. Angeblich geht dieser Spruch auf den Heidelberger Studenten Victor von Hase zurück, der im Semester 1854/55 einem polizeilich gesuchten Studienkollegen zur Flucht verholfen hatte. Bei seiner Vernehmung blieb er unerschütterlich dabei: „Mein Name ist Hase, ich weiss von nichts!“

Der „vierbeinige“ Hase findet sich überhaupt in vielen Redewendungen, die meist aus der Jägersprache stammen. So bedeutet „wissen, wie der Hase läuft“ sich gut auskennen, sich nicht austricksen lassen. Denn um Hund und Jäger zu täuschen, läuft der Hase im Zickzack. Wer das „Hasenpanier ergreift“, ist auf der Flucht. „Hasenfuss und Angsthase“ bedeutet, sich nicht trauen, sich fürchten und sich schleunigst aus dem Staub machen. Ein „alter Hase“ hingegen gilt als erfahren und schlau. Auch wenn er mit allen Hunden gehetzt wird, lässt er sich trotzdem nicht erwischen – ganz im Gegensatz zu einem “heurigen Hasen“, der keine Erfahrung vorweisen kann und zur leichten Beute wird. Der arme Hase muss zwar für allerlei Sprüche herhalten, aber nicht

Zum Prügelknaben werden. Muss jemand als Prügelknabe herhalten, wird er für etwas bestraft, das ein anderer verbrochen hat. Die Redewendung trifft genau ins Schwarze und ist wörtlich zu verstehen. Die früher übliche Prügelstrafe durfte an jungen Edelleuten nicht vollzogen werden. An ihrer Stelle erhielten die verdiente Strafe, nämlich Prügel, arme Kinder, die eigens dafür gehalten wurden. Die adeligen Übeltäter mussten allerdings dabei zusehen. Ob diese Erziehung etwas bewirkt hat? Wohl kaum. Man sieht, es hat eben seine Vorteile, wenn man

Von blauem Blute ist. Wenn wir heute von „blauem Blut“ sprechen, meinen wir damit Adelige, also Grafen, Fürsten und Könige. Es handelt sich hier um eine mehr als tausend Jahre alte Redensart. Im Jahr 711 zerfiel nach dem Tod des Königs Roderich das Reich der Westgoten in Spanien. Aus Gotalanien wurde Katalanien und die arabischen Maueren übernahmen die Herrschaft. Die dunkelhäutigen Mauren sahen, dass die Blutadern dunkelblau durch die helle Haut der Goten schimmerten. Voll Respekt sprachen sie von „blauem Blut“. Sinngemäss wurde daraus im Laufe der Zeit „edles oder adeliges Blut“. Das „blaue“ Blut der Edelknaben wird wohl kaum in Wallung geraten sein, wenn die armen Prügelknaben

Zeter und Mordio geschrien haben. Gemeint ist damit nach heutigem Verständnis verlogenes Geschrei, um Aufmerksamkeit zu erregen, obwohl gar kein Grund für das Gezeter vorliegt. Die Redewendung ist abgeleitet aus den Gerichtsgebärden der germanischen Rechtsbräuche. „Zyder“ heisst „zieht her“ und war der Anklageruf, mit dem im Mittelalter der Ankläger mit dem blanken Schwert in der Hand vor dem „peinlichen Gericht“ die Anklage gegen den Täter eröffnete: Ging es um Mord und Todschlag, so hiess der Anklageruf „Mordio“. Ging es um Diebstahl „Diebio“ oder „Feurio“, wenn es sich um Brandstiftung handelte. Mordio und Feurio waren aber auch lange Zeit gebräuchliche Hilferufe bei Gefahr.

Die peinliche Gerichtsbarkeit führte dem Angeklagten schon in der Gerichtsverhandlung anschaulich vor Augen, was ihn im Falle einer Verurteilung erwartete und so ist es nicht verwunderlich, wenn so manchem Angeklagten

Der Bissen im Hals stecken blieb, denn die mittelalterliche Gerichtsbarkeit war nicht zimperlich und Gottesurteile gehörten dazu. Dem Einfallsreichtum waren dabei keine Grenzen gesetzt. So musste der Beschuldigte z. B. ein grosses Stück trockenes Brot oder harten Käse ohne Flüssigkeit hinunterschlucken. Gelang ihm dies ohne Schwierigkeiten, war seine Unschuld bewiesen. Blieben ihm jedoch die Stücke im Halse stecken, so galt er als des Verbrechens überführt. Eine Bestrafung war in vielen Fällen allerdings nicht mehr nötig beziehungsweise möglich, denn so mancher Beschuldigte ist dabei durch Ersticken zu Tode gekommen. Der Wunsch „mögest du daran ersticken“, ist eine Abwandlung der Redensart, wenn jemand nicht genug bekommen kann und sich besonders gierig und rücksichtslos verhält.

Mit rücksichtslosen Zeitgenossen, Ellenbogenmenschen und unverbesserlichen Egoisten will niemand etwas zu tun haben und da ist dann ganz schnell

Das Tischtuch zerschnitten. Das heisst, die Freundschaft wird aufgekündigt. Schere oder Messer und Tischtuch sind dabei heutzutage nicht mehr vonnöten. Ein alter Rechtsbrauch unserer Vorfahren machte Ehescheidungen sehr leicht. Das scheidungswillige Paar fasste einfach ein Tischtuch an, das dann auseinandergeschnitten wurde. Jeder behielt den Teil, den er in der Hand hatte, und ging seiner Wege.

Des einen Freud, des anderen Leid: Was dem Ehekrieg ein schnelles und einfaches Ende bereitete, war für andere eine Katastrophe. Denn im Mittelalter war eine der härtesten Ehrenstrafen für Edelleute, wenn ihnen „das Tischtuch zerschnitten“ und sie somit aus der adeligen Gesellschaft ausgeschlossen wurden.

Renate Genkel

Quellen

Kurt Krüger-Lorenzen, „Deutsche Redensarten – und was dahinter steckt. VMA-Verlag Wiesbaden

Das aktuelle Wissen.de-Lexikon

Der grosse Brockhaus, Bertelsmann-Verlag

Eckart Peterich, Götter und Helden der Germanen, dtv

Der Artikel (in Fraktur zu lesen) erschien 2009 in zwei Nummern der inhaltlich wertvollen und stets sorgfältig aufgemachten BfdS-Vierteljahresschrift „Die deutsche Schrift“, zur Förderung der deutschen Sprache und Schrift.

Mehr über den Bund für deutsche Schrift und Sprache erfahren Sie unter www.bfds.de

Die Übertragung in Antiqua besorgte Frau S.L.(skd)

(skd) Über die unverletzte Ehre und mehr erfahren unsere Leser im abschliessenden Teil 2b

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