Politisch überkorrekte Sprache – gohts no?!

Ich glaubs nicht! In einer schwedischen Kindertagesstätte vermeidet das Personal Wörter wie «er» oder «sie» und spricht die Kinder nicht als Knaben und Mädchen an, sondern allesamt als «Freunde», wie das deutsche Magazin «Focus» vor kurzem berichtete. Spielsachen und Bücher sind bis ins Detail darauf ausgerichtet, dass die Kleinen nicht in Rollenklischees verfallen. Die Kinder sollen radikal auf Gleichberechtigung oder wohl eher auf Gleichheit getrimmt werden; der Name der Krippe, nämlich «Egalia», spricht Bände. Kritiker werfen den Pädagogen «Gender-Wahn» vor; die Kinder würden verwirrt.

Verwirrlich ist in der Tat, was ich in den letzten paar Jahrzehnten an bemüht geschlechtsbetonender und heute strikt geschlechtsneutraler Sprache erlebe. Irgendwann in den Achtzigerjahren sass ich als Journalistin in einem verrauchten Saal auf der Luzerner Landschaft als einzige Frau an der Versammlung eines reinen Männervereins, vermutlich ein Jägerverband. «Frölein, schreiben Sie ein ‹Eingesandt›?» (einen kleinen Artikel), fragte mich mein Gegenüber. Was mir heute eine reizvolle Erinnerung ist, hat mich damals auf die Palme gebracht. Ich war doch kein «Frölein», ich war Frau Schneider und schrieb einen Artikel und nicht ein «Eingesandt» wie ein Ortskorrespondent, was ich dem verdutzten Mann ziemlich aufgebracht erklärte.

Ich kämpfte mit fliegenden Fahnen für «Schülerinnen und Schüler», gegen «Ski-Girls» auf den Sportseiten und gegen «mitgemeinte Frauen», wenn Kollegen mal wieder nur männliche Begriffe brauchten. Es gab heftige Diskussionen und lästige Verbote von der Redaktionsleitung, die sowohl die PartnerInnen als auch die Partner/innen strikte untersagte. Ein liebenswürdiger Kollege holte mich wieder auf den Teppich, als er einen «Fussgängerinnen- und Fussgängerstreifen» in einen Artikel schmuggelte. Ich konnte endlich über mich selbst lachen und nahm die Sache fortan lockerer. Was mir Ultrafeministinnen umgehend übel nahmen; ich avancierte zur Verräterin an der Sache der Frau, und, schlimmer noch, das war mir gleichgültig.
Und heute? Lese ich in Mitteilungsblättern staatlicher Bildungsstellen dauernd von «Lehrenden und Lernenden». Diese sprachlichen Ungetüme werden mir sogar mündlich um die Ohren geschlagen. Ich frage eine Schulleiterin (pardon, eine Schulleitende), wie viele Schüler in ihr Schulhaus gingen. «Mier hend do drühondertfüfzg Lernendi, müend Si d Zahl vo de Leerende au no wüsse?» Danke, lieber nicht, sonst würde ich noch gezielt nach männlichen und weiblichen Lehrenden fragen, und das wäre vermutlich Gender-mässig höchst brisant.

Klar, Sprache verändert sich. Ich bin gespannt, was noch alles kommt an geschlechtsneutralem Unsinn. Bis vor kurzem waren die «Personen» angesagt, vor allem Lehrpersonen. Heute stellen Arbeitgebende Mitarbeitende ein. Der und die Service-Mitarbeitende lassen den Restaurantgast ewig auf die Rechnung warten. Ach war das schön, als man noch «Frölein, zahle bitte!» rufen durfte.

Zu einer Stolperfalle wird ein Spitalaufenthalt. Wie spreche ich die «Person» an, die mit dem Fiebermesser an meinem Bett steht? Erfrischend klingt, was die etwa 50jährige, bodenständige Frau sagt: «Wissen Sie, ich habe Krankenschwester gelernt. Sie dürfen mir Frau Huber oder Schwester Annelies sagen. Ich finde diesen Ausdruck Pflegefachperson schrecklich.» Danke, Schwester Annelies!

© Zentralschweiz am Sonntag; 17. Juli 2011; Persoenlich Einblicke
Ruth Schneider, Schreibende ruth.schneider@luzernerzeitung.ch

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