Verfehlte Sprachpolitik

Von Eberhard Hofmann
Herkömmliche namibische Mehrsprachigkeit gilt im Vergleich zu monolingualen Ländern einmal als kostbarer und begehrlicher kultureller Reichtum. Zum Anderen sehen naive Politiker und falsch orientierte Erzieher in der Sprachvielfalt ein Hindernis, das der Einheit der Nation sowie dem beruflichen Erfolg angeblich im Wege stehe. Sie sehen das Heil in einer niviellierten, sprachlich (allein auf Englisch) gleichgeschalteten Gesellschaft. Die Auseinandersetzung mit der allgemeinen Sprachfertigkeit im namibischen Rahmen muss wiederholt stattfinden, um Fehlentscheidungen der Vergangenheit bloßzustellen und um einen Gesinnungswandel zu einer progressiveren Sprachpolitik einzuleiten.

Es ist deshalb gut, dass eine Zivilorganisation, der Urban Trust of Namibia (UTN), das Thema aus unabhängiger Warte aktuell angeschnitten hat, dazu auch Stimmen aus der Lehrerschaft und vom pädagogischen Institut NIED. Abgesehen davon, dass es eine überhebliche und arrogante Gewalttour der regierenden SWAPO war und ist, nach Jahrzehnten mit den zwei Amtssprachen Englisch und Afrikaans, das Afrikaanse einfach abzuschaffen und das Englische, das nicht einmal von zwei Prozent der Bevölkerung als Muttersprache beherrscht wird, zur alleinigen Amtssprache zu erheben, kommen noch die Unbelehrbarkeit und daher die Ignoranz der regierenden Partei sowie falscher Ehrgeiz von Eltern dazu, dass sie just Identität-stiftende namibische Sprachen auf der Bildungsebene bewusst und zu Gunsten von Englisch vernachlässigen. Parallel dazu jammern selbige Kräfte, dass die Jugend Namibias durch westliche Konsum- und Popkultur von ihren afrikanischen Wurzeln entfremdet werde.

Die seit langem bewiesene Erkenntnis, dass Kinder in einem vielsprachigen Land möglichst lange, aber mindestens bis zur 7. Klasse den Fachunterricht in der Muttersprache erhalten sollten, um auf festem Sprachfundament bis zu einer bestimmten Reife verwurzelt und damit ausgerüstet zu sein, so dass sie in der Zweit-, Dritt- und/oder Amtssprache auch ein fundiertes Niveau erreichen, diese Erkenntnis hat bei den Unterrichtsplanern der SWAPO aus politischer Borniertheit keinerlei Eingang gefunden. Und die vielen internationalen Ratgeber, die die Regierung entweder eingeladen oder sich hat aufschwatzen lassen, haben aus politischer Verlogenheit oder Unterwürfigkeit am drakonischen Schulmediumplan nicht gerüttelt, dass die Kinder schon ab dem vierten Schuljahr ganz auf Englisch unterrichtet werden müssen. Noch schlimmer: Viele Schulen und Eltern verfolgen sogar heute noch die Sprachbrutalität, dass sie schon die ABC-Schützen ins Englisch-Medium zwingen. Fügen wir noch die Mehrzahl namibischer Lehrer hinzu, die Englisch nur radebrechen, so erklärt sich ein Großteil der chronischen und ständig beklagten Bildungsmisere von selbst.

Die Zeit zum Umdenken und Handeln in der Schulsprachenpolitik ist überreif geworden.

Allgemeine Zeitung (Namibia) vom 16.Dez. 2011
http://www.az.com.na/

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