Bericht zur Lage der deutschen Sprache

Vier Sprachwissenschaftler der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften haben am Freitag in Berlin den ersten „Bericht zur Lage der deutschen Sprache“ vorgestellt.

Die wissenschaftliche Untersuchung orientierte sich an den Leitfragen: Wie hat sich der deutsche Wortschatz entwickelt? Ist unsere Muttersprache durch Anglizismen gefährdet? Büßt das Deutsche den Reichtum seiner grammatischen Formen ein? Nimmt ein gestelzter Nominalstil überhand? Heraus kam, dass der Gesamtwortschatz in ausgewählten Texten in verglichenen Zeitspannen angestiegen ist (1905-1914: 3,715 Millionen Wörter, 1948-1957: 5,045 Millionen Wörter, 1995-2004: 5,328 Millionen). Dabei wurden auch Zusammensetzungen mitgezählt.

Zugenommen hat laut Peter Eisenberg, emeritierter Sprachwissenschaftler der Universität Potsdam, in den untersuchten Textsammlungen – bestehend aus Zeitungsartikeln, Belletristik und wissenschaftlicher Literatur – auch die Anzahl von Anglizismen (1905-1914: 1.000 Anglizismen, 1995-2004: fast 11.000). Die „Welt“ interpretiert: „Es gibt auch mehr Anglizismen, weil es überhaupt mehr Wörter gibt. Und weil so viele um 1900 noch unbekannte Dinge und Tätigkeiten neu benannt werden mussten“ und ignoriert, dass neue Dinge auch auf Deutsch neu benannt werden konnten.

Eisenberg erklärte, es gebe Hinweise darauf, dass über 90 Prozent der Anglizismen nur vorübergehende Gäste im Deutschen seien, die „weitaus meisten Anglizismen sind nicht entlehnt, sondern im Deutschen gebildet“ (etwa „Babystuhl“ und „jobben“).

Ludwig M. Eichinger vom Institut für Deutsche Sprache in Mannheim bestätigte, dass die deutsche Grammatik vereinfacht wird. Der Berliner Germanist Wolfgang Klein erklärte, dass diese Tendenz schon seit indogermanischen Zeiten anhalte. Streckverbgefüge, die einen bürokratischen Stil und gestelztes Deutsch hervorbringen, gibt es nach Einschätzung von Angelika Storrer von der Universität Dortmund im 20. Jahrhundert nicht vermehrt. Wenn Streckverbgefüge genutzt würden, dann seien sie meist sinnvoll: „Wenn ein Politiker dem Krieg eine Absage erteilt, heißt das schließlich nicht, dass er einen Krieg absagt.“

Die „Neue Zürcher Zeitung“ erklärte: „Die Basis der Untersuchungen bildeten redigierte Texte des Standard-Schriftdeutschen: Literatur, Sachtexte, Zeitungen und Ähnliches. Mündlicher Ausdruck und die digitale Kommunikation via Blogs, SMS oder E-Mail wurden nicht untersucht. Kritiker werden einwenden, damit blende die Forschung gerade die von Verfall betroffenen Bereiche des Deutschen aus.“

(www.welt.de, www.tagesspiegel.de, www.nzz.ch, www.wdr3.de)

Quelle: VDS-Infobrief

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