SMS verderben die Sprache nicht

smsWenn Schweizer SMS schreiben, verwenden sie nur wenige englische Ausdrücke. Zudem sind die Anglizismen eher ein Zeichen höherer Bildung als ein Hinweis auf den Sprachzerfall, wie eine vom Schweizerischen Nationalfonds SNF geförderte Studie zeigt.

Englisch wird immer wichtiger, auch in der Schweiz. Sprachpuristen befürchten deshalb, dass Anglizismen in den Landessprachen überhand nehmen. Gemeinhin wird angenommen, dass englische Ausdrücke gerade bei jungen Menschen „in“ sind, vor allem wenn sie neue, informelle Kommunikationsformen wie SMS verwenden. Dies ist jedoch nicht der Fall, wie Forscher um Elisabeth Stark vom Romanischen Seminar der Universität Zürich im Rahmen einer breit angelegten Untersuchung  herausgefunden haben, der insgesamt 26’000 SMS zugrunde liegen.

Sehr selten englische Ausdrücke

So wurden je 4600 SMS von zumeist jungen Menschen aus der Deutsch- und der Westschweiz auf Anglizismen untersucht. Es zeigt sich, dass englische Ausdrücke sowohl in deutschen als auch in französischen SMS selten sind. Nur 3,16 Prozent (deutsch) und 2,34 Prozent (französisch) aller Wörter oder Wortteile waren englisch. Die meisten davon (deutsch: 2,57 Prozent, französisch: 1,76 Prozent) waren Entlehnungen wie „Computer“, „Handy“ oder „joggen/jogging“, die längst Eingang in den Duden und den Grand Robert gefunden haben. Bloss 0,59 Prozent (deutsch) und 0,58 Prozent (französisch) waren „echte“ englische Wörter. Am häufigsten benutzt werden dabei feste Begrüssungs- und Abschiedsformeln wie „Hi“, „Love you“ oder „Kisses“.

„Es ist nicht so, dass die Jugend ihre SMS nur noch auf Englisch schreibt“, sagt Elisabeth Stark. Zum Vergleich: Andere Untersuchungen zeigen, dass Anglizismen in der gesprochenen Sprache ebenfalls nur etwa zwei Prozent des benutzten Wortschatzes ausmachen. „Die Anglizismen sind da, aber sie bedrohen die einheimischen Sprachen nicht“, folgert die Forscherin. Die Studie belegt sogar, dass Deutschschweizer SMS-Schreiber mit höherer Bildung eher Anglizismen benutzen. „Anglizismen sind eher ein Hinweis auf Bildung, nicht auf einen Zerfall der deutschen Sprache“, sagt Stark. Im Französischen war der Einsatz von englischen Fremdelementen zu selten, um einen solchen Zusammenhang nachweisen zu können.

Überdurchschnittlich viele mehrsprachige SMS

Häufiger als ins Englische wechseln die Schweizer beim Schreiben von SMS in eine andere Landessprache oder zwischen Dialekt und Standard. Insgesamt sind rund 24 Prozent aller untersuchten Kurznachrichten mehrsprachig, enthalten also Fremdelemente wie im Satz „Sehen uns nächsten Mittwoch, je t’aime“. Die Sprachwechsel sind dabei in Deutschschweizer SMS (28 Prozent) fast doppelt so häufig wie in französischen SMS (15 Prozent). Im rätoromanischen Datensatz enthalten sogar 53 Prozent aller SMS mindestens einen Sprachwechsel, in den italienischen SMS sind es 23 Prozent. „Verglichen mit ähnlichen SMS-Korpora aus dem Ausland sind diese Zahlen sehr hoch“, sagt Stark. Die Mehrsprachigkeit der Schweiz macht sich also in den SMS bemerkbar.

Korrekte Orthographie

Die SMS-Schreiber halten sich stark an die in der Schule erlernten Rechtschreibeprinzipien. Manche Forscher behaupten nämlich, dass diese ihre Kurznachrichten so tippen, wie sie sprechen, und dabei jeden einzelnen Buchstaben einzusparen versuchen. „Man könnte zum Beispiel ‚du komst‘ statt ‚du kommst‘ schreiben. Das wäre kürzer und würde gleich ausgesprochen“, sagt Stark. Ihre Untersuchungen zeigen aber, dass solche Schreibweisen in den deutschsprachigen SMS, von denen über die Hälfte in einer alemannischen Mundart geschrieben sind, nur sehr selten vorkommen. Die Schweizer legen also beim SMS-Schreiben die in der Schule gelernten Regeln nicht ab.

Quantitativ belegt ist dies für die französischsprachigen SMS. Auch hier setzt sich die korrekte Orthographie meist gegen die Verführung durch, Wörter abzukürzen. „Im Französischen gibt es viele unhörbare Endungen, die nur geschrieben werden“, sagt Stark. Beim Satz „La voiture que j’ai achetée“ (das Auto, das ich gekauft habe) hat das Partizip (achetée) orthographisch korrekt eine weibliche Endung (-e). Ausgesprochen würde das Wort aber gleich, wie wenn man schreiben würde „.acheté“. Trotzdem seien in den SMS rund 90 Prozent dieser Fälle korrekt geschrieben, sagt Stark. Sie erklärt sich das damit, dass der Schreibprozess quasi automatisch abläuft. „Die Menschen denken beim Schreiben gar nicht daran, bei der grammatischen Information Zeichen zu sparen.“

SMS für die Forschung

Das internationale Forschungsprojekt sms4science erforscht die Kommunikation per SMS und versucht, die sprachlichen Merkmale der Kurznachrichten zu beschreiben. Für das Schweizer Teilprojekt luden die Forscher im Jahr 2009 alle Handynnutzer in der Schweiz dazu ein, von versandten SMS eine Kopie an eine Gratisnummer zu schicken und im Internet einen anonymen Fragebogen auszufüllen. Insgesamt kamen so in der Schweiz rund 26’000 SMS zusammen: 18’000 auf Deutsch (davon etwa 7000 nicht im Dialekt), 4600 auf Französisch, 1500 auf Italienisch und 1100 auf Rätoromanisch. Beteiligt sind Forscher der Universitäten Zürich, Neuenburg und Bern sowie der Universität Leipzig.

Informationsdienst Wissenschaft vom 11. Juni 2013 (kleine Anpassungen skd)

http://www.idw-online.de/pages/de/news537671

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