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Der Tunnel am Ende des Lichts

Unter diesem Titel hat Karl Gautschi einen neuen Band von «Schweizer Humoresken und Satiren» herausgegeben (Menzach-Verlag 1998). Vielleicht erinnern Sie sich, liebe Lese-rinnen und Leser, an frühere Kostproben aus Karl Gautschis satirischer Feder. In der Nr. 3/96
brachten wir auf S. 12 eine Glosse mit dem Titel Telecomic (aus einer Aargauer Zeitung); diese Glosse erscheint nun etwas abgeändert im oben genannten Bändchen. Im Nr. 3/97 konnten Sie auf S. 7 einen andern Text von
Karl Gautschi lesen, nämlich die Humoreske Beim Berufsberater aus dem früheren Bändchen «Für Liebhaber in ruhigen Lagen» (eben-falls im Menzach-Verlag).

Als Kostprobe aus dem neuen Bändchen lassen wir mit der freundlichen Erlaubnis des Autors eine seiner neuen Glossen folgen.


Qi Gong, Reiki und Meh-Geh

Es ist wieder einmal so weit: Nach ausgedehnten Festtagen fühle ich mich stets schlapp, mir fehlt es an zukunftsgerichteter Energie, an zündenden Ideen, und zudem habe ich natürlich vor lauter Faulenzen an Gewicht zugenommen – ein schrecklicher Zustand.

Da wir ohnehin gerade mitten in der Zeit der guten Vorsätze stecken, ist mir klar, dass etwas geschehen muss. Und so habe ich mir denn eine Fachzeitschrift für gesundes Dasein gekauft, um in aller Ruhe zu planen, wie ich mein Leben möglichst bald ändern und auf eine vernünftigere, bewusstere Grundlage stellen kann.

Nur eben, da gibt es ein Problem. Welchen Kurs soll ich besuchen? Soll ich Qi Gong belegen, Maharishi-Ayur-Veda oder Craniosacral-Balancing? Oder wären für mich vielleicht Psycho-Physiognomik, Zen Shiatsu oder Tarot für Linkshänder besser?

Wie wäre es wohl mit Eutonie, Aki-Healing, Original-Dhu, der sensitiven Bewegungsschulung Rolfing oder dem Feng-Shui-Wohnkonzept? Ist für mich Wushu angebracht oderdoch eher die Starcon-Sternlicht-Integration mit taochinesischer Selbstheilung für Brillen-träger?

Unsicherheit erfasst mich. Was steckt hinter Vivation, Aura-Soma, Reiki und Duality? Worin besteht Polarity-Therapie? Was macht man in einem Materia-Medica-Intensiv-Seminar? Wozu dienen Pathophysiognomie, Rebirthing, die psychodynamische Zahlenlehre, Sensory Awareness und Shoptalk-rubbish-Training?

Soll ich mich zu einer Psycho-Energetik-Massage begeben oder Hopi-Kerzen in die Ohren stecken? Soll ich einen Kurs in astrologischer Psychologie besuchen oder den südkoreanischen Meditationslehrgang für Briefmarkensammler beiderlei Geschlechts (Spezialgebiet Pro Juventute)?

Wie wäre es mit dem Alpha-Omega-Training, einem Chakra-Vertiefungskurs, Touch of Health, Feldenkrais, Bodywork Bioenergetik für Kynologen (Sektion Bernhardiner und Appenzellerhunde) oder Yoga für Legastheniker?

Nach der Lektüre der Fachzeitschrift fühle ich mich jetzt plötzlich noch schlapper und noch dicker. Ich werde mich daher wohl weder für Psychosynthese entscheiden noch für Madras-Yoga oder Tai Chi. Sondern für eine standard-helvetische We-Es-Therapie (We-Es = weniger essen), kombiniert mit afroasiatischer We-Au-Me-Geh-Psychodynamik (We-Au-Me-Geh = weniger autofahren, mehr gehen).


Karl Gautschi

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