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PISA – 1. PISA als Katalysator für Reformprojekte

Gute Schulen und ein qualitativ hoch stehendes Bildungsangebot gehören im internationalen Wettbewerb zu den wichtigsten Standortfaktoren. Die Frage von PISA, ob unsere Schülerinnen und Schüler für das Leben gerüstet sind (BFS & EDK, 2002), ist deshalb nicht nur für Pädagogik und Bildungspolitik von Bedeutung, sondern für unsere Gesellschaft ganz allgemein. Während die Schule bis vor kurzem ohne systematische Beschreibung des Outputs beziehungsweise der Lernergebnisse auskam, ist sie nun durch das internationale Interesse der OECD (Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit) an den Grundkompetenzen der Jugendlichen am Ende der obligatorischen Schule vermehrt dem Wissenswettbewerb ausgesetzt.
PISA führt ohne Zweifel zu einer Menge an wichtigen Informationen über Bildungssysteme, politisch gesprochen zu Bildungsindikatoren. Ergebnisse in einem internationalen Vergleich rufen unmittelbar nach Erklärungen. Oft ist in der öffentlichen wie auch in der politischen Diskussion kaum mehr auszumachen, was ein Ergebnis von PISA ist, welche Erklärungen der Ergebnisse sich aufgrund der PISA-Daten sinnvollerweise abgeben lassen und was eher dem Wunschdenken zugeordnet werden kann oder gar als Instrumentalisierung der PISA-Ergebnisse für eigene Interessen zu bezeichnen ist.
Noch schwieriger ist es, zuverlässige Folgerungen aus PISA abzuleiten. Viele der Folgerungen aus den PISA-Ergebnissen sind nicht ohne weiteres plausibel und hängen nur beschränkt mit den Ergebnissen zusammen. Die Diskussion über die Bedeutung der Ergebnisse bewegt sich zudem oft auf einem derart hohen Allgemeinheitsgrad, dass die Ergebnisse in irgendeiner Form praktisch für sämtliche Reformvorschläge benutzt werden können. Es gibt kaum eine (bildungs)wissenschaftliche Studie, die so grosszügig und wohlwollend für alles benutzt wird wie PISA. PISA wird als Grundlage für Reformen vom Kindergarten bis zur Weiterbildung genommen, die Ergebnisse sind für beinahe sämtliche Reformprojekte relevant und können von Vertretern mit diametral auseinander liegenden Interessen genutzt werden. So werden aufgrund der PISA-Ergebnisse der Schweiz von der einen Seite mehr Investitionen in Bildung gefordert – schliesslich sind die Ergebnisse der Schweiz eher mittelmässig ausgefallen – während die andere Seite aus PISA folgert, dass die Bildungsausgaben gebremst werden können, weil die Schweiz im internationalen Vergleich sehr viel für Bildung ausgibt (OECD, 2001, S. 107). Dabei wird oft vergessen, dass PISA eine Studie ist, mit der eine Auswahl an hoch relevanten Bildungsindikatoren sehr genau beschrieben werden kann, die ansonsten aber hauptsächlich zu Hypothesen über das Funktionieren von Bildungssystemen führt. PISA ist eine populationsbeschreibende Studie. Sie wird aber durch die intensive Diskussion der Ergebnisse zu einer Hypothesen generierenden Studie.
Erstaunlich ist, dass die meisten der in der Schweiz diskutierten Folgerungen kaum den Kern der Schule, nämlich den Lehr-Lern-Prozess im Unterricht, betreffen. Dies ist tatsächlich vernünftig, werden nämlich internationale Vergleiche der Schulleistungen primär nicht aus pädagogischen, sondern aus ökonomischen Interessen initiiert, wie das Engagement der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) im Bereich des internationalen Vergleichs der Schulleistungen belegt. Der Gedanke, dass die Ergebnisse des Lehr-Lern-Prozesses in der Schule ein Indikator für Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit eines Landes sein könnten, hatte mancherorts auch zum Vorwurf geführt, Leistungsmessung ziele an den wahren Bedürfnissen der Kinder und der Gesellschaft vorbei (Brügelmann, 1999). Trotzdem hat sich PISA durchgesetzt, in der Praxis etabliert, die Bildungspolitik wie keine Studie zuvor beeinflusst und die Medien gar begeistert.
Seit der Veröffentlichung der Ergebnisse von PISA hat die Diskussion über die Qualität des Schweizerischen Bildungssystems in der Öffentlichkeit wie in den Medien einen anhaltenden Höhepunkt erreicht. Obwohl die Ergebnisse bereits seit Ende 2001 bekannt sind, kommt es in regelmässigen Abständen zu Kommentaren über die ungenügenden Lesefähigkeiten eines grossen Teils der Schülerinnen und Schüler der Schweiz. Die nachhaltige Diskussion über die Qualität des Bildungswesens und der Schule ist ein explizites Ziel von PISA, denn PISA ist ein Programm und baut auf Kontinuität. Alle drei Jahre wird den beteiligten Ländern eine internationale Standortbestimmung der Bildungssysteme in Bezug auf verschiedene Kompetenzen mit Schwerpunkt Lesefähigkeiten, Mathematik und Naturwissenschaften ermöglicht. Durch diese Kontinuität bleibt die Qualität des Bildungssystems ein ständiges Thema in der Agenda der Bildungspolitik und der Wissenschaft, aber auch der Praxis.(Urs Moser)

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