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PISA – 6. Die Bedeutung des Schuleintrittsalters Ergebnisse

Bei internationalen Vergleichen wird immer wieder deutlich, dass die Einschulung in der Schweiz – vor allem in der Deutschschweiz – vergleichsweise spät erfolgt. Während die Jugendlichen in den OECD-Ländern im Alter von 15 Jahren im Durchschnitt bereits 9½ Jahre die Schule besucht haben, sind es in der Schweiz erst 9 Schuljahre. Die vergleichsweise geringe Anzahl besuchter Schuljahre im Alter von 15 Jahren vermag die mittelmässigen Ergebnisse im Lesen allerdings nur bedingt zu erklären. Tatsächlich besucht die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler aus Ländern mit besseren Ergebnissen im Lesen die Schule um meist ein halbes bis ein ganzes Jahr länger als Schülerinnen und Schüler aus der Schweiz (Kanada, Neuseeland, Australien, Südkorea, Grossbritannien, Japan oder Österreich).
Es gibt allerdings auch Ausnahmen. Wie Abbildung 4 zeigt, ist das Alter beim Schuleintritt nicht zwingend für das Ergebnis eines Landes verantwortlich. Die Säulen geben an, wie viele Schuljahre die Jugendlichen bis zum Alter von 15 Jahren besucht haben. Die Dreiecke und die Kreise zeigen die durchschnittlichen Ergebnisse der ausgewählten Länder auf der internationalen OECD-Skala. So erreichen die Jugendlichen aus Finnland im Lesen die besten Ergebnis-se, obwohl sie mit 15 Jahren etwa gleich lange zur Schule gegangen sind wie die Jugendlichen aus der Schweiz. Und die Schweizer Jugendlichen erreichen trotz spätem Schuleintritt sehr gute Leistungen in der Mathematik.
Interpretation
Nun gibt es gute Gründe dafür, dass die Schweiz bei einem früheren Schuleintrittsalter im internationalen Vergleich bessere Ergebnisse erreichen könnte. Der Lernerfolg steigt bei Schülerinnen und Schülern nachweisbar mit zunehmender Reife oder mit zunehmendem Alter und mit der Anzahl Jahre (formaler) Schulbildung (Moser, Ramseier, Keller & Huber, 1997, S. 39 ff.).
Eine frühere Einschulung müsste allerdings auch bedeuten, dass die Jugendlichen mit 15 Jahren nicht weniger Unterricht in den entscheidenden Fächern besucht hätten. Denn in der Praxis wird davon ausgegangen, dass die Unterrichtszeit wesentlich bestimmt, wie viel in einem Fach gelernt werden kann. Auch in der Schuleffektivitätsforschung hat sich die Beschäftigung mit dem Lernstoff («time on task») als relevantes Kriterium für den Lernerfolg erwiesen (Scherens, 1992), was sich ansatzweise auch mit den TIMSS-Daten nachweisen liess. Weil bekannt ist, dass in den Schweizer Schulen im internationalen Vergleich relativ viel Zeit für Mathematikunterricht und relativ wenig Zeit für Naturwissenschaften aufgewendet wird, sind auch die grossen Unterschiede in der Schweiz zwischen Mathematik und den Naturwissenschaften verständlich (Moser, Ramseier, Keller & Huber, 1997, S. 68 ff.).
Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen, dass trotz des national mehrheitlich klar festgelegten Schuleintrittsalters nicht eindeutig zu bestimmen ist, wann die formale Schulbildung beginnt. Je nach Gestaltung des Programms in Kindergärten und Vorschulinstitutionen beginnt die formale Bildung bereits sehr viel früher als bei Schuleintritt. Die Grenzen lassen sich insbesondere auf dieser Bildungsstufe nicht klar ziehen, auch wenn es primär nicht um das Erlernen des Lesens und des Rechnens geht, sondern vor allem um die Förderung der Interessen der Kinder, um eine sinnvolle Auseinandersetzung mit der Mit- und Umwelt oder die Förderung so genannter Basisfunktionen wie Wahrnehmung, Konzentration oder Gruppenverhalten. Die veränderten Familienstrukturen und die besondere Situation von Immigrantenfamilien führen dazu, dass diese Aufgaben vermehrt auch von Institutionen übernommen werden sollten, die eine Tagesbetreuung der Kinder anbieten. (Urs Moser)

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