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Die Sprachlosigkeit der «Grossen Drei»

Pidgin-English allein wird Europa kaum zusammenführen – Der «Club of 3» tagte in LondonWer hat es nicht schon nachgebetet in seiner Unbedachtsamkeit – das Wort vom vernetzten Planeten, von der weltumspannenden Kommunikation. Schöne neue Welt der Bruderschaft des Menschen.
Aber der Homo sapiens wird gleichzeitig immer verarmter: Er lernt immer weniger Fremdsprachen, begnügt sich bestenfalls mit dem der allgemeinen Verballhornung anheim fallenden Englisch, das jedermann ganz schnell ganz schlecht erwirbt, mitsamt dem Glauben, damit die Welt auch schon erobert zu haben.
Das Problem der Fremdspracheninsuffizienz ist freilich, zumal in Europa, längst erkannt. Am weitesten zurück liegen «die grossen Drei» – Frankreich, Deutschland, das Vereinigte Königreich. Staaten mit geringerer Bevölkerung dagegen, wie Dänemark, die Niederlande oder Schweden, halten die Spitze, was das Erlernen von Fremdsprachen angeht. «Club of 3», so nennt Lord Weidenfeld, der grosse Londoner Verleger, das von ihm vor wenigen Jahren aus der Taufe gehobene trilaterale Forum, auf dem sich Deutsche, Franzosen und Briten regelmässig über Kulturbrücken und -brüche miteinander ins Benehmen setzen. Die jüngste Aussprache in London, in den Räumen des Mitveranstalters, des British Council, versammelte Kabinettsmitglieder, Akademiker, Institutsleiter, Autoren, Lehrpersonal mit grosser Erfahrung – und die beiden EU-Botschafter Daniel Bernard (Frankreich) und Hans-Friedrich von Ploetz (Deutschland).
Letztere sind in diesem Thema inzwischen so etwas wie das Londoner Salz in der Suppe. Sie haben sich in der britischen Metropole einen Namen gemacht (man kann auch sagen: Sie sind der britischen Bürokratie auf die Füsse getreten) mit ihrem Kreuzzug für multilinguales Lernen, vor allem natürlich an den Schulen und Universitäten des Gastlandes. Als Verbündeten haben die beiden Diplomaten sich die Nuffield Foundation erkoren, die vor einem Jahr mit einem erschütternden Bericht über den Niedergang des Fremdsprachenunterrichts in Grossbritannien Furore machte.
Seitdem finden Bernard und von Ploetz landauf, landab offene Ohren für ihre Botschaft. Und offene Türen in Regierungskreisen. Den deutschen Botschafter sieht man gelegentlich schon von Blair-Beratern einvernommen, die auch in britischen Grundschulen multilinguales Lernen verankern wollen.
Was sich nicht so schnell finden lässt, sind neue Finanzmittel und neues, qualifiziertes Lehrpersonal, das den dramatischen Abbau im britischen Fremdsprachenunterricht in absehbarer Zeit umkehren könnte. Die Statistik ist alarmierend genug: 2000 hatten nur 2,8 Prozent aller Abgänger von staatlichen britischen Schulen Französisch als Fremdsprache, und ganze 1,1 Prozent Deutsch. Solche Zahlen können keinen Anreiz bieten, sich auf der Insel als Fremdsprachenlehrer ausbilden zu lassen.
Frankreich und Deutschland ihrerseits sind dabei, auf die Krise drakonisch zu reagieren. La douce France macht es dirigistisch-zentral, die Deutschen föderal, aber nicht minder entschlossen. Jacques Lang, Frankreichs Kulturminister (wieder einmal), setzt gerade par ordre de Mufti Fremdsprachenunterricht schon in Grundschulen durch. Ebenso verpflichtend soll künftig für jeden Universitätsabschluss ein Aufenthaltsjahr im Ausland werden. Und sein Baccalaureat wird dem-nächst kein Franzose mehr ohne den Nach-weis wenigstens einer Fremdsprache machen können.
In Deutschland gehen die Länder energisch in ähnliche Richtung… zur Vorbeitung auf das Morgen – den multilingualen Europäer. Das Denken geht auf die Formel «Muttersprache + 2» zu – also Deutsch neben zwei Fremdsprachen als Verpflichtung fürs Abitur. Auch in Frankreich sieht man es so. «Plus 2» ist allein schon deshalb sinnvoll, weil bei nur einer Fremdsprache als Pflichtfach doch wie-der nur Englisch als absolut dominant allen anderen davon ziehen würde. Das dürfte die kontinentalen Nachbarn kaum einander näher bringen.
Fast zum Stillstand gekommen ist in Europa der direkte Lehreraustausch: DeutschlandINSERT INTO `skd_posts` VALUES(35 000 Schulen) tauscht in diesem Jahr mit Frankreich 20 Lehrer aus, mit Grossbritannien vier, mit Spanien acht!
Europa, deine Sprachen. Das wird, wenn erst der Euro seine Kreise gezogen hat, vor allem für die Berufsausbildung zum zentralen Thema werden. Aber auch auf die vielfältigen Berufswelten selber gehen von der gemeinsamen Währung – und ihrer Einladung zum Vergleich aller Lebensverhältnisse – starke Anreize aus. In der neuen Euro-Wirklichkeit wird vom Handwerker bis zum Dienstleister eine neue Klasse von Europäern aufbrechen, in Nachbarsprachen ihrem Unternehmergeist freien Auslauf zu geben.
Thomas Kielinger

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