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Was ist die Aufgabe eines Sprachvereins?

Die erneute Zusendung Ihrer Beitrittsunterlagen haben mich erneut dazu gebracht, über Ihr Angebot nachzudenken, und dieses Mal möchte ich Ihnen diese Überlegungen in Kürze schriftlich vorlegen.Vorweg: Daß es überhaupt Menschen im „modernen“ Deutschland gibt, die den Mut aufbringen, sich für die kulturelle Eigenständigkeit des Deutschen einzusetzen, ist schon bemerkenswert und bedarf eigentlich jedweder Unterstützung. Mut ist nämlich schon deshalb erforderlich, weil ein solches Vorhaben von Ideologen unterschiedlichster Färbung leicht und locker in die chauvinistische und nationalistische Ecke verfrachtet und dort erdolcht werden kann. Denn nach dem Wahnsinn der NS-Zeit ist nun seit fast 50 Jahren der Wahnsinn des Gegenteils eingetreten, indem jedes Bekenntnis zum Deutschen und zum Deutsch-sein als faschistoid verunglimpft wird. Wen nimmt es da Wunder, wenn ersatzweise eine (illusionäre) Identitätssuche im englischsprachigen Internationalismus stattfindet. Wenn man schon nicht (mehr) deutsch sein darf, so muß man doch wenigstens weltoffen sein dürfen, was dann automatisch auch als demokratisch gilt. Irgendeine – auch von anderen akzeptierte – Orientierungsgröße braucht der Mensch schließlich. Was mich aber bisher trotzdem von einem Beitritt zum VDS abgehalten hat, ist meine Auffassung, daß die vorrangige Zeilsetzung des Vereins, nämlich das Deutsche vor dem unseligen Einfluß einer blinden Anglizismusschwemme zu schützen, zu schmalspurig ist. Ich verfolge die Sprachentwicklung des Deutschen seit ca. 40 Jahren und ärgere mich ebenfalls über den unnötigen Einbruch engl. Begriffe in den alltäglichen Verständigungsfluß. Was mich aber noch mehr ärgert, ist die Zerstörung des Deutschen von innen her, durch „uns“ selbst, wie dies an der stilistischen Verarmung und Verdummung (in Syntax, Semantik u. Orthographie) festzumachen ist. In den Schulen (der Nation) wird die Nachhaltigkeit der Vermittlung einer angemessenen Sprachbeherrschung durch Erlasse und Verfügungen bewußt behindert, und die Medien mit ihrer ungeheuren Wirkung auf das öffentliche Bewußtsein – und damit auch das Sprachverhalten – sind tägliche Vorreiter einer Verwahrlosung des Deutschen. Man höre sich nur die sog. „Talkmaster“ und „Moderatoren“ (Jauch, von der Lippe u.Co.KG) an und lese täglich die Zeitung: „… und Sie haben wen mitgebracht?“ – „… weil das erfreut uns.“ – „… obwohl ich sehe das anders.“ – „Und dann hat er das Plakat aufgehangen und uns zugewunken.“ – „Und es bleibt die Frage, wer ist dafür verantwortlich.“ usw., usw. Und viele Journalisten finden es offensichtlich in letzter Zeit besonders „cool“, also volksnah, ihre Mitteilungen hauptsächlich in elliptischen Hauptsatzreihen abzusetzen, was ihnen kein bisschen Leid tut. Der Unterschied zwischen Umgangssprache und Schriftsprache wird damit weitgehend nach unten nivelliert. Deshalb meine ich, daß einem Verein, der sich die Wahrung der kulturellen Eigenständigkeit einer Sprache zum Ziel setzt, nicht nur die Abwehr schädlicher Einflüsse von außen am Herzen liegen sollte. – Aber vielleicht sehen Sie das ja anders.
Mit freundlichen Grüßen Rolf Leue
Brief vom 16. Mai 2002 an den VDS, veröffentlicht im Info

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