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Der Mundartsprecher

Der Mundartsprecher hat ein empfindsames Ohr. Im Ausland, etwa in Köln, Hamburg oder Berlin, wird ihm das besonders bewusst. Dort ist ihm das eigene Idiom endgültig Heimat. Wörtlich

Der Mundartsprecher

Der Mundartsprecher hat ein empfindsames Ohr. Im Ausland, etwa in Köln, Hamburg oder Berlin, wird ihm das besonders bewusst. Dort ist ihm das eigene Idiom endgültig Heimat. Der Wärmestrom ist da. Dem Mundartsprecher ist seine Sprache wie ein Hautkleid. Sie liegt unmittelbar auf dem Körper, umschliesst sein Gewebe, hält ihn auch manchmal etwas starr fest. Die Innenspannung der Mundart ist schwer abzuschütteln. Natürlich verteidigt er in der Fremde, besonders wenn es zu einer Krise kommt, das Sprachkleid der Deutschschweiz.

Es ist das Land der rot-weissen Fahne. Das Weiss steht für den Schnee, das wunderbare Rot für die Warnung, niemals zu hoch hinaus zu wollen. Wieder daheim bekümmert ihn, wie die jüngere Generation neuerdings daherredet. Er kann die Vielzahl an geilen Mega-Wörtern der Teenies kaum mehr ertragen. Deren Sprache hat keine Seele, keinen Stamm, meint er. Vielen Anglizismen und Jargon-Ausdrücken fehlt ein Wurzelgeflecht. Dies vor Augen, legt sich die Traurigkeit auf das Hautkleid des Mundartsprechers.

Christian Scholz, entstanden auf Anfrage des Literarischen Colloquium Berlin 5 «Kulturpflege im Kemmental»

St. Galler Tagblatt vom 6. April 2002

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