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Kinderspielsprache

(SKD) Haben Sie schon gewusst, dass Hochdeutsch sprechende Politiker im Grunde mit uns spielen wollen?Im Buch «Schwiizertüütsch das Deutsch der Eidgenossen» von Isabelle Imhof findet sich in der Einführung folgende Aussage: «Hochdeutsch wird (in der Deutschschweiz) höchstens für öffentliche Reden oder im Umgang mit Fremdsprachigen verwendet.» Sieht man von diesem Satz ab, gibt es an besagtem Bändchen, das in der Wörterbuchreihe «Kauderwelsch» des Verlags Peter Rump erschienen ist, überhaupt nichts auszusetzen. Aber mit der Behauptung, bei uns würde nur in öffentlichen Reden oder im Umgang mit Fremden Hochdeutsch gesprochen, verschweigt die Autorin eine der interessantesten Verwendungen der Hochsprache in der Schweiz, nämlich die der spielenden Kinder.

Manche Kinder mögen es, ihren Rollenspielen durch den Sprachwechsel eine feierliche Ernsthaftigkeit zu verleihen. Die Kleinen wissen etwa, dass die richtigen Gangster und die richtigen Polizisten, also die aus dem Fernsehen, immer Hochdeutsch sprechen. So lassen sich zuweilen in helvetischen Hinterhöfen Dialoge wie dieser aufschnappen: «Du, Jimmy, bis still, los einmal, ich glaube, die Türe ist gegangen.» «Ich habe es auch gehört, ich gehe nachluegen, vielleicht sind es die Tschugger.» «Nein, wart Jimmy, ich glaube, wir secklen besser ab, sonst verwischen sie uns und dann kommen wir in die Kiste.» In solchen Situationen wird die Sprache gleichsam zur Trägerin der gespielten Rolle. Und wenn eines der Kinder aus der Rolle aussteigt, wechselt es sofort wieder in die Muttersprache («Loset, i hiufe nümm, i mues hei»).

Vermutlich sind diese hochdeutschen Kinderspiele nicht unwichtig für die charakterliche Entwicklung von uns Schweizern. Durch sie lernen wir von Kindesbeinen an die Unterscheidung zwischen Realität und Fiktion. Deshalb spüren wir tief im Innern, dass beispielsweise unsere öffentlichen Amtsträger immer dann, wenn sie Hochdeutsch sprechen, im Grunde bloss mit uns spielen möchten. Frei nach dem Motto: «Hiufsch, mir schpile, das i öppis würd säge und du würdisch mers gloube.»

Pedro Lenz Der Bund 3. September 2002 (aus der Serie „Bölechilbi“)

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