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CEBIT , die weltgrößte „Computer“-Messe

(skd) Ein skeptischer Informatiker kommentiert CEBIT , die weltgrößte „Computer“-Messe (besser ITK-Messe ) ; „es werden kaum noch explizit Rechner und ihre Anwendungen ausgestellt.

ITK = Information und Telekommunikation. Dieses Wort hat man geprägt, da Informatik alleine nicht mehr ausreichte, um eine Informatik-Messe zu bevölkern.
Man nahm deshalb die „Telekommunikation“, also Mobiltelefon-Technik und Medien zur Informatik dazu. Der „Fortschritt“ in der elektronischen Rechentechnik ist ausgesprochen spärlich, derjenige bei Mobiltelefon-Spielereien überwältigend. Das Leitschema der Messe ist das Hochleistungs-Mobiltelefon Aufgrund eines massiven Anfalls an „Neuerungen“ auf dem Bereich der Mobilkommunikation herrscht eine verbissene Aufbruchsstimmung.
Zentrale Neuerung: Das 3G-Mobiltelefon (dritte Generation: UMTS-basiert) wird zum integralen Gerät der multimedialen Kommunikation sowie Informationstechnik erklärt. Dazu trägt eine signifikante Leistungssteigerung der Funk-Übertragungssysteme bei: UMTS, GPRS, LAN, WLAN, WAP, Blueooth und verschiedene neue, noch unbekannte aus Japan. – Es wird endlich der Durchbruch des UMTS-Systems verkündet. Folgende Funktionen werden jetzt in so einem digitalisierten 3-G-Mobiltelefon vereint:
Telefonieren, direktes Videotelefonieren (mit 1 bis 2 eingebauten Kameras), kommerzielle Datenübertragung, Internet, ibs. Weltnetz-Navigation (surfen), Musikübertragung und -Herunterladen, Epost-Versendung, Bankieren, Video-und Fernseh-Übertragung, Spiele und Simultansprech (chat) mit mehreren Teilnehmern gleichzeitig, übergreifender, unbemerkter Anbieter- und Netzwechsel (roaming), Funksprechfunktion (ohne Anwesenheit eines Netzes), Anschluß an alle Endgeräte (Fernseher, Rechner, med. Überwachungssystem am Körper), Navigationsgerät, Taschenorganisator usw.
Mit diesen Funktionen soll der Mobilrechner/PC zum Teil wieder abgelöst werden, der heute viele derselben vereint, und dessen Markt gesättigt scheint. Dementsprechend werden die 3-G-Mobiltelefone auch wieder ein bisschen größer, aber natürlich sündhaft teuer, und werden aufgrund ihrer Kleinheit dennoch nie die optische, akustische oder Handhabungs-Qualität anderer Geräte erreichen.
Deshalb sieht man Funk-Schnittstellen zu allen übrigen Mediengeräten vor. Das Idealziel ist offenbar ein großer Bildwandfernseher und das 3G-Mobiltelefon als durch die Netze wandelndes persönliches Daten- und Kommunikations- (und natürlich dann auch Überwachungszentrum). Aber wir haben ja alle keine Geheimnisse voreinander, vor dem Staat und den ITK-Monopolisten, wir leben ohne Konflikte mit unserer Welt – oder? Ausserdem garantiert uns der Große Bruder absolute Datensicherheit.
Mit all diesem Firlefanz wird ein neuer „lifestyle“ proklamiert: der DIGITAL LIFESTYLE, plakativ repräsentiert durch das Motto
• anders einkaufen
• anders verkaufen
• anders arbeiten
• anders leben!

Man sieht an der Priorität, wie die Leitfiguren dieses Unsinns unsere Zukunft gestalten wollen. Einkaufen und Verkaufen ist natürlich das Wichtigste. Zu all dem kann ich nur sagen: Danke! Versuchte schon Bill Gates mittels seines „sprechenden Hauses“, seines LCD-Van-Gogh und anderen Zeugs sein menschenleeres Bild einer schönen neuen digitalisierten Welt zu zelebrieren, ist jetzt die CEBIT auch dort angekommen. Interessant ist, daß ehrlicherweise nicht die Rede von „besser leben“ etc. war, sondern nur eben „anders“. Vielleicht würde das „besser“ ja sowieso keiner mehr glauben.
Am Rande gab es ein paar schwache seriösere, Mobilfunk-zentrierte Ansätze, wie modulare Unternehmensverwaltungssysteme auf Funkbasis, Netzsicherheit, Materialfluss, Medikamentensicherheit, rechnergestützte Verwaltung. Zweifelsohne habe ich vieles überhaupt nicht wahrgenommen, das ist aber bei 6000 Ausstellern nicht anders möglich.
Informationstechnik wird also heute als bunte schöne neue Welt der drahtlosen Kommunikation, des Zusammenwachsen persönlicher infantiler medialer Beschäftigung mit funkbasierter Verwaltungstätigkeit in Industrie, Mittelstand, Finanzwesen usw. gesehen.
Sie spiegelt nach meiner Auffassung wesentlich die Bedürfnisse der multimedialen Scheinwelt (virtual reality) fachspezialisierter IT-Yuppies, andererseits jene verzweifelter IT-Konzerne ohne neue Produktideen wider. Auf die realen Forderungen, die eine ziellose Gesellschaft und der bedrohliche Zustand der Welt an eine nun 60jährige Informatik stellen, und die die Informatik seit Jahrzehnten erfüllen könnte, aber nicht erfüllt, wird überhaupt nicht mehr eingegangen“.

Klaus D., am 25. März 2004 im VDS-Info (gekürzte Bearbeitung skd)

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