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Was bringt der neue Duden?

Christian Dörner von der Forschungsgruppe Deutsche Sprache hat ihn unter die Lupe genommen.

Unbeeindruckt von der erneut ausgebrochenen Kontroverse um Rücknahme oder Beibehaltung der Rechtschreibreform erscheint jetzt der neue Duden – selbstbewußt „mit dem aktuellen Stand der neuen Rechtschreibung.“ Doch wie sieht dieser aktuelle Stand aus? Wie lange wird er aktuell sein?

Von der Unentbehrlichkeit der Neuauflage will die Duden-Werbung so überzeugen: „Sie enthält die für Schulen und Behörden ab dem 1. August 2005 allein verbindlichen neuen Schreibungen, Trennungen und Regeln. Alle Ergänzungen des amtlichen Regelwerks von 1996, welche die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung erarbeitet hat und welche von den zuständigen politischen Entscheidungsträgern im Juni 2004 verabschiedet wurden, sind vollständig eingearbeitet.“ Was aus den Nachbesserungen und Kompromißvorschlägen wird, die der von den Kultusministern anstelle der bisherigen Rechtschreibkommission künftig beauftragte Rat für deutsche Rechtschreibung noch vor dem Stichtag 1. August 2005 zur Reparatur der immer noch offensichtlichen Mängel der Reform erarbeiten soll, bleibt unklar.

Am Anfang des Buches findet man eine kurze Zusammenfassung der neuerlichen „Präzisierungen und Ergänzungen“. In Wirklichkeit handelt es sich um folgenschwere Änderungen. Insbesondere bei den Regeln der Getrennt-/Zusammenschreibung, die selbst von Reformbefürwortern als unbefriedigend kritisiert werden, ist die Verwirrung eher noch größer worden. So verordnete der Reformduden bisher strikt die Getrenntschreibung von dahinter kommen, davor stellen usw. Die Zusammenschreibung dieser und anderer Verben wird nun wieder obligatorisch. „Durch die Änderungen werden bisherige Schreibweisen nicht falsch“, behaupteten dennoch – eindeutig unwahr – sowohl die Kultusminister als auch die Reformer.

Das grammatisch falsche so Leid es mir tut wird nicht mehr vorgeschrieben. Man soll wieder klein schreiben dürfen, sich aber entscheiden zwischen: weil es mir sehr Leid tut oder weil es mir sehr leidtut. Die bisherige, einzig korrekte Schreibung leid tun soll nach dem Grundsatz, die bewährte Schreibung zu verbieten und dafür zwei neue Varianten einzuführen, unzulässig bleiben.

Die neue wahlweise Großschreibung bei Fügungen wie seit neuestem/Neuestem, von weitem/Weitem usw. entpuppt sich als Falle denn die bisherige Kleinschreibung bei aufs Neue, im Übrigen usw. wurde nicht reaktiviert, so daß jemand, der glaubt, analog zu von weitem jetzt auch des weiteren klein schreiben zu dürfen, irrt. Hier ist Großschreibung Pflicht! 8fach darf man jetzt auch mit Bindestrich schreiben: 8-fach. Somit erfreuen wir uns künftig an 19-jährig, 32stel, 2fach/2-fach, 90er, 90-mal – in den Augen der Reformer wohl eine Verbesserung im Vergleich zur bisherigen Regelung, einfach grundsätzlich ohne Bindestrich zu schreiben.

Der neue Duden macht unmißverständlich klar, daß es einen Kompromiß auf Basis dieses kaputten Reformwerks nicht geben wird. Und welchen Sinn kann es haben, angesichts dieser im neuen Duden erneut dokumentierten, nach wie vor unausgereiften Reformorthographie und der nun wieder völlig offenen Entwicklung, sich die neue Ausgabe anzuschaffen?

Duden – Die deutsche Rechtschreibung. 23., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Herausgegeben von der Dudenredaktion. Geb. 1.152 Seiten. Dudenverlag, Mannheim, Leipzig, Zürich, Wien 2004. 20,00 € (ISBN 3-411-04013-0), mit CD-ROM 25,50 € (ISBN 3-411-70923-5).

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