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Amerikas Vormachtstellung in der Wissenschaft

Für hiesige Elite- und lnnovationsverfechter gelten die Vereinigten Staaten als Gelobtes Land wissenschaftlicher Exzellenz. Doch nun bekommt das hehre Bild erste Risse. Plötzlich treiben Sorgen um die eigene Zukunft auch Amerikas Forscher um. Sie sehen die Konkurrenz aufholen und werten erste Anzeichen, dass der Brain-Drain in die USA nachlässt, schon fast als nationale Katastrophe.

Vor wissenschaftlichen „Trends, die die Wirtschaft und Sicherheit unseres Landes bedrohen“, warnt der National Science Board. Einen irreversiblen Schaden befürchtet der Nobelpreisträger Robert C. Richardson, und die New York Times jammert: Die Vereinigten Staaten beginnen, ihre weltweite Dominanz in kritischen Wissenschafts- und lnnovationsbereichen zu verlieren.“

Grund für die Aufregung ist ein dicker Bericht über die Lage der US-Wissenschaft, die Science and Engineering Indicators 2004. Dieser Statistikwälzer wird alle zwei Jahre für den Präsidenten erstellt und zeigt in seiner neuesten Ausgabe fürwahr ungewohnte Entwicklungen: So ist der Anteil amerikanischer Artikel in wissenschaftlichen Journalen weltweit in den vergangenen zehn Jahren von fast 40 auf rund 30% gesunken; dafür haben Europäer und Asiaten ihren Output kräftig gesteigert. Zugleich geht der Beitrag der Amerikaner an den Industriepatenten in den USA zurück, seit 1995 von 56 auf 52%. Auch hier macht sich die Konkurrenz aus Femost bemerkbar. Forscher aus Japan, Taiwan und Südkorea besitzen bereits ein Viertel aller US-Patente – Tendenz steigend.

Besonders alarmiert die Experten jedoch die schwindende Zahl ausländischer Studenten, Posldocs und Spitzenforscher, denen die amerikanische Wissenschaft bisher zu einem erheblichen Teil ihre Vormachtstellung verdankt.

Was anderswo Freude auslöst, trifft die Amerikaner ins Mark. Wissenschaftliche Exzellenz ist nicht länger nur die Domäne der USA. Aus den besorgten Äuerungen spricht dabei auch ein wenig das naive Erstaunen, dass es offenbar noch eine Wissenschaftswelt jenseits der Vereinigten Staaten gibt. So bereitet es den US-Forschern sogar schon Sorge, dass inzwischen „nur noch“ die Hälfte aller Nobelpreise an ihre Landsleute verliehen werden – war doch God“s own country einst auf diese Ehrungen abonniert.

Solche Reaktionen belegen nicht nur, wie verletzlich das amerikanische Selbstverständnis mittlerweile ist und wie sorgsam man die eigene Vormachtstellung zu hüten versucht. Sie zeigen auch, wie schnell sich die Rolle von Vorbildern ändern kann. Vielleicht sollten deutsche Forschungspolitiker künftig weniger nach Amerika schielen, sondern mehr die aufstrebenden Wissenschaftsnationen in Fernost beachten.

(Ulrich Schnabel, DIE ZEIT 21/2004) (gekürzt SKD)

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