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Englisch in der Medizin

Eine Umfrageaktion ergab, dass die meisten Ärzte Englisch als alleinige
Kongresssprache sowie Fachpublikationen deutscher Verlage in Englisch
ablehnen.
Die englische Sprache dient in Wissenschaft und Forschung der
internationalen Verständigung. Die fortschreitende
Übernahme der angloamerikanischen Terminologie und die zunehmende
Dominanz des Englischen in Fachzeitschriften und Lehrbüchern deutscher
Verlage hat allerdings die Diskriminierung vieler Ärzte und Studenten zur
Folge.
„Diagnosebezogene Patientengruppen“ sind heute „Diagnosis Related
Groups“, der „Leitfaden“ ist ein „Lightfaden“ (Verlag Urban und Fischer),
altbekannte Begriffe wie Gewebe-, Gelenk-, Herzklappen- oder Zellersatz
mutieren zum „Tissue Engineering“; die „zertifizierte Fortbildung“
verwandeln Thieme- und Springer-Verlag in „Continuing Medical Education“
(CME) Eine bundesweite Befragung sollte darüber Auskunft geben, wie Ärzte in
Klinik und Praxis diesen Trend beurteilen.

Mühelos wissenschaftliche Arbeiten auf Englisch lesen können nur 144 der 320
Befragten; in der Gruppe der leitenden Ärzte sind es 71 von 140. Vorträge in
Englisch verstehen ebenfalls nur 45 Prozent der Umfrageteilnehmer.
Medizinische Fachzeitschriften inländischer Verlage mit ausschließlich
englischsprachigen Publikationen lehnt die Mehrheit der Befragten ab (85
Prozent); davon 90 Prozent der leitenden Ärzte, 81 Prozent der Kliniker und
82 Prozent der Nichtkliniker.

Eindeutig stimmten die Umfrageteilnehmer der Aussage zu, dass
Weiterbildungsveranstaltungen sowie nationale Kongresse und Tagungen mit
deutschsprachigen Referenten in der Landessprache durchgeführt werden
sollten. Ausländische Gastredner können hingegen nach Ansicht der
Befragten auch in englischer Sprache vortragen. Bei Kongressen internationaler Gesellschaften befürwortet die überwiegende
Mehrheit, Deutsch und Englisch als gleichberechtigte Kongresssprachen
einzusetzen.

Die Antwortquote von rund 65 Prozent zeigt, dass die Ärzteschaft den
sprachlichen Problemen in der Medizin große Aufmerksamkeit schenkt. Englisch
als Lingua franca hat unwidersprochen seinen Platz in der internationalen
Spitzenwissenschaft und –forschung. Ein weiteres Vordringen des
Englischen in Wort und Schrift in die allgemeine Wissenschaftssprache könnte
allerdings die Spaltung der gemeinsamen Fachsprache und der kollegialen
Umgangssprache bedeuten. Wenn die Mehrheit der Ärzte Vorträge nicht mehr
verstehen kann und ein „Englisches Lexikon für Ärzte“ zu Hilfe nehmen muss,
um Nutzen aus einer Publikation ziehen zu können, ist die Effektivität für
die Aus- und Weiterbildung bedroht. Der Umkehrschluss, dann müssten alle
Ärzte Englisch perfekt erlernen, erscheint realitätsfremd. Darüber hinaus
ist diese Form der Monolingualität in der Medizin eine undemokratische
Rückentwicklung.

Quelle: http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=29547
(skd: Textkürzung und Verzicht auf Literaturangaben)

Buch: Haße, Wolfgang; Fischer, Rudolf
Englisch in der Medizin: Der Aus- und Weiterbildung hinderlich
Deutsches Ärzteblatt 98, Ausgabe 47 vom 23.11.2001, Seite A-3100 / B-2632 / C-2438

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