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Krokofantös endgeil – echt voll abfetzmäßig porno

Sprachschätze

Sprechen Sie Jugenddeutsch? Hermann Ehmann, Sprachwissenschafter und
Pädagoge, gibt in seinem neuen Buch „Endgeil. Das voll korrekte Lexikon
der Jugendsprache“ (Verlag C.H.Beck) – nach „affengeil“, „oberaffengeil“
und „voll konkret“ – wieder Nachhilfe. Dabei kommen interessante Aspekte
ans Licht, auch einige weltfremde Vorstellungen, zum Beispiel über die
Arbeit: axten und abaxten, hämmern, zimmern, hacken, tieren, hinkeln
(nach den Hinkelsteinen des Obelix). Robotern, schuften wie ein Roboter,
klingt moderner, aber keineswegs neu.

Vielleicht liegt das daran, dass Jugendliche ihr Gehirn als Laufwerk
auffassen, als Floppy – als Getriebe, System und Proggi (Programm). Der
Kopf hingegen, obwohl aus dieser Sicht eigentlich die Hardware, ist
lebendiger: Trüffel, Kürbis, Tomate, Rübe, Melone, Fresswürfel,
Denkschüssel.

Jedenfalls ist das Leben der Jugendlichen, die sich selbst
beziehungsweise einander Jungtiere nennen, Kurze, Bonsai und Ableger –
offenbar ziemlich anstrengend und die Auswahl an Begriffen für erschöpft,
fertig, ausgepumpt dementsprechend groß: abgefiedelt zum Beispiel,
abgebaggert, abgepfeffert, abgeschossen, abgenudelt, abgeeiert, gebügelt.
Kurz: voll depriletto . Und zwar echt monsterkrass, „dermaßen krass,
dass sogar Monster vor Schreck nur noch winseln.“

Ohne Übertreibungen ist in der Jugend wohl nicht auszukommen, und auch
nicht, ohne die Sprache zum Ventil für Frustration und Feindseligkeit zu
machen. Einige Schimpfwörter sind aber ziemlich abgedroschen:
Dünnbrettbohrer, Dumpfbacke, Nullchecker, Hasenhirn. Etwas kreativer:
Trivialo, Denkzwerg, Bodenturner (mit einem Intelligenzquotienten in
Bodennähe). Aber Vollsocke? Sind Strümpfe gescheiter?

Interessant sind auch manche Bedeutungsumkehrungen. So wird der Coach als
autoritär empfunden und abgelehnt: coachen heißt verprügeln. Ein
Intensiv-Coaching verheißt demnach ganz und gar nichts Gutes. Auch die
Massage wird zur Prügelei und die Fußmassage zum Fußtritt. – Vorsicht ist auch geboten, wenn vom Betippeln, vom Betoffeln, Verschiffen oder Vereiern die Rede ist: das sind Wörter für ärgern und auf den Arm nehmen.

Jugendliche lassen sich ungern viel sagen. Heute scheint die Abneigung
gegen das Zuhören aber besonders ausgeprägt zu sein. Die Sprache erzählt
davon: Schluss mit dem Bekeimen und dem Vollsamen – man wünscht (unter
anderem) nicht länger eingenässt zu werden, zugeföhnt, zugekleistert,
zugeschottert, vollgeknödelt, belöffelt, angewanzt, vollgedröhnt,
zugelallt, angeschwallt oder angeblökt . Oder bekoffert – durch einen das Kinderkriegen bewertet: ablaichen, ferkeln, kalben. Und priesterlich heißt besserwisserisch. Eltern sind Supporter und Kohlenbeschaffer, Hom
Koffer voll Informationen belästigt? Ebenfalls unklar: die Koteletts “
die man nicht ans Ohr gequatscht bekommen möchte. Negativ wird auch es (Daheimgebliebene) und Ötzis (die früheren Gruftis) – allesamt Stinos, Stinknormalos, Festnetztelefonanierer, totally asbach. Und die Großeltern? Gerippe.

Alles klärchen? Oder Ende im Gelände? Mitunter wahrscheinlich Letzteres,
denn die Mode wechselt schnell: geilomei und endgeil haben geil, geilo,
affengeil und oberaffengeil abgelöst. Und auch das echt voll Coole ist
laut Autor „stark im Abwärtstrend“. Hervorragend heißt heute (wieder)
gediegen, bombig, ultimativ, aber (unter anderem) auch supi, abfetzmäßig,
vollmäßig, hypertonisch, porno, kurz: granatenmäßig krokofantös.

Hilde Weiss, Wiener Zeitung, 9. Dez. 2005 (gekürzt skd)

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