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Rettet dem Dativ seinen Opa!

Es ist ein Jammer: Täglich aufs neue vergeht sich die Journaille an der
deutschen Sprache, werden Computer-Tastaturen zur Folterkammer.
Besonders stark drücken Anglizismen auf die zarte Leserseele. Wem zur
Kehrtwende nur der „Turnaround“ einfällt, wer die US-Regierung zur
„Administration“ macht und jeden Schlagersänger zum „Artist“ aufwertet,
für den bleiben nur die Worte von Karl Kraus übrig: „Je mehr Fremdwörter
jene gebrauchen, die nie Deutsch lernen werden, desto besser.“
Nachzulesen in Krausens zeitlos gültigem Buch „Die Sprache“ (Suhrkamp
Taschenbuch). Darin haut die alte Nickelbrille ziemlich wild auf die
„Presse“ hin. Vielleicht, weil er zuvor selber für sie gearbeitet hatte?

Natürlich sind viele Fremdwörter sinnvoll. Man will seine E-Mail* ja nicht
Strompost nennen: Das tun nur Betreiber rechtsradikaler Homepages* (die dann eher von Heimseiten schreiben). Ansonsten aber sei zur
Wiederbelebung alter Ausdrücke aufgerufen. Im „Kleinen Lexikon
untergegangener Wörter“ (C.H. Beck) hat der Germanist Nabil Osman
Ausdrücke gesammelt, die es seit Beginn des 19. Jahrhunderts nicht mehr gibt. Federhart sagte man früher statt „elastisch“. Der Großvater des Dativs hieß Gebefall, was aus der Nähe betrachtet hässlich ist, könnte man wieder feldschön nennen. Wie? Das interessiert Sie nicht? Sie wollen sich lieber bei lauter Musik und bunten Getränken vergnügen, gar im heutigen Club Icke Micke ? Dann gehen Sie halt, sie doppel-herziger Weltling, Sie!

Von Oliver Grimm (oliver.grimm@diepresse.com)
Die Presse.Com vom 4.Aug.2006 (Anpassungen skd))

(skd) * Für Verdeutschung verweisen wir auf die Empfehlungen des Anglizismenindex (kein Wörterbuch!), den Sie auf unserer Internetseite (Startseite, Leitseite, Netzseite) anklicken können. Die Netzausgabe des Index wird demnächst aktualisiert, die Buchausgabe 2006 folgt im Herbst.

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