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Sprachcomputer lieben Deutsch

Englisch gilt allenthalben als die gängige Computersprache. Wenn es aber darum geht, mit dem Rechner zu sprechen, dann ist Deutsch gefragt: „Computer lieben bei der Spracherkennung lange Worte“, sagt der Leiter des Intelligent User Interface Lab beim Deutschen Forschungszentrum für
Künstliche Intelligenz (DFKI), Prof. Wolfgang Wahlster. Die für Ausländer so schwer zu lernenden Endungen und die geschlechtliche Zuordnung seien ideal. Das Englische mit seinen oft gleich lautenden aber mit verschiedenen Bedeutungen behafteten Worte seien für Rechner sehr viel schwieriger zu erkennen. Nach 50 Jahren Forschung auf dem Gebiet steht Deutschland weltweit mit an der Spitze. Deutsche Sprachsysteme – wie sie jetzt in Bonn beim Voice Day 2006 vorgestellt wurden – sind gefragt.

Wurden sprachgesteuerte Servicedienste anfangs überwiegend abgelehnt, hat sich das mittlerweile geändert, meint der Sprecher der Initiative Voice Business und Organisator des Branchen- und Forschertreffs in Bonn. „Das ist eine Vernunftehe und keine Liebeshochzeit“, beschreibt er die steigende Akzeptanz der sprechenden Computer. Die Bereitschaft, automatisierte Dienste zu nutzen, sei in den vergangenen drei Jahren deutlich gestiegen. Das liegt nicht zuletzt an der Erfolgsquote der Systeme. „Über 80 Prozent der Anrufer, die mit dem Computer in Dialog treten, können ihr Anliegen abschließend klären“. Die Systeme finden Einsatz in Anrufzentralen, Flughäfen, Hochschulen und Behörden.

Grundvoraussetzung für das Funktionieren ist natürlich die korrekte Erkennung des gesprochenen Wortes. „Da kann man mittlerweile Raten von über 90 Prozent korrekter Erkennung erzielen“, sagt DFKI-Leiter Wahlster. „Der Mensch erkennt ja auch nicht viel mehr, wenn man es rein akustisch macht.“ Die Spracherkennung sei nur die primitivste Ebene – „und die beherrscht man heute gut“. Es folgt die nächste Ebene wie Sprachanalyse, die das Gesagte grammatikalisch und lexikalisch
verständlich macht, damit die gesprochenen Wörter auch die gewünschte Bedeutung erhalten. Schließlich gilt es, einen Dialogentwurf zu erstellen, das Dialogdesign.

„Wir haben ja heute schon Systeme, bei denen man sich als Sprecher auf
den letzten Satz zurückbeziehen kann und bei denen Pronomen wie er, sie
oder es berücksichtigt werden“, erklärt Wahlster. Dem Ziel, den Computer
als Gesprächspartner zu nutzen, sei die Forschung näher gekommen. „Wir
wollen weg von Maus und Tastatur, hin zu gesprochener Sprache und
Gestik.“ Weltweit seien die deutsche Forschung und die deutsche Technik
anerkannt. Das gelte insbesondere für den Bereich Sprachverarbeitung und
Sprachdialoge mit Fahrzeugen. „Wir sind mit den Spitzenfahrzeugen, was
die Sprachkommunikation im Auto angeht, weltweit führend“, sagt Wahlster.

Freisprechanwendungen fürs Telefon seien dabei ja schon fast ein alter
Hut. Ganz neu sei etwa Musik auf Wunsch, da könne der Fahrer
etwa sagen „Ich will jetzt Herbert Grönemeyer hören“. Darauf werde er
nach dem Songtitel gefragt. Dann werde das Lied vom MP3-Player gespielt.
Im Auto könne so eine Playliste mündlich angegeben werden, die dann
unterwegs über Funk eingespielt werde. Wer tanken muss und preiswerten
Diesel sucht, sagt das dem Bordcomputer. Der geht ins Internet, sucht
nach Angeboten und programmiert dann das Navigationsgerät mit den Daten
der gewünschten Tankstelle.

Für Wahlster und seine Kollegen steht die künftige Richtung schon fest.
„Die Reise geht zum multimodalen System“, sagt er. Zur künstlichen Stimme
soll noch das künstliche Gesicht kommen, der „virtuelle Charakter“.
Dieser soll auch mal bei einer entsprechenden Bemerkung die Augenbrauen
hochziehen oder traurig dreinblicken – ein virtueller Gesprächspartner
eben, der sich auch visuell rückkoppelt.
Günter Wächter, dpa, in Heise News vom 19.Okt.2006. Anpassungen skd

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