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ANGLIZISMEN IN DER DEUTSCHEN SPRACHE

Stellungnahme zum Artikel von Frau D. in Teachers News 2006
Sehr geehrte Frau Dierks, mit Interesse habe ich Ihre Überlegungen zum sinnvollen bzw. unsinnigen Gebrauch von Anglizismen gelesen. Dass Sie dabei zu einer differenzierenden Bewertung kommen, ist sehr zu begrüßen.Einige Urteile beruhen allerdings auf einer ganz spezifischen, nur deutschen Grundhaltung gegenüber dem Englischen ( in allen seinen Varianten). Und einer ebenso typischen Grundhaltung gegenüber dem Deutschen, wenngleich mit umgekehrtem Vorzeichen.

Lassen Sie mich, anhand von ein paar Beispielen, klarmachen, was gemeint ist. Nehmen wir mal die sogen. englischen „Fachbegriffe“, für die es angeblich keine angemessenen Entsprechungen (in anderen Sprachen) gebe bzw. nur kuriose, nicht ernst zu nehmende “ humorvolle Spielereien“ wie „Zwischennetz“ und dergl.. Mag ja komisch, d.h. ungewohnt klingen für deutsche Ohren! Doch wer eigentlich weiß oder ist sich gar bewußt, dass viele der, ach so bestaunten, engl. Fachausdrücke nichts als banale, nicht selten lustige Alltagswörter sind, die man im Angelsächsischen – mal aus Jux, mal mit Ernst – zur Bezeichnung bestimmter Sachen benutzt hat.:So entspricht „Chat/to chat“ natürlich nicht „Erzählen“, sondern heißt „Schwatz/Plausch/Schnack- schwatzen/plauschen/schnacken“… Der „laptop“ bedeutet ( assoziativ zu lapdog!) „Schoßhündchen“. (Warum also nicht „Schoßrechner“ z.B.??) „Joystick“ heißt wörtlich „Spaß/Lust-Stab/Stock“! Da ist doch ein „Steuerknüppel/stab“ um einiges seriöser! tVermeintliche „Fachbegriffe“ wie Cocktail, brainstorming, kids, cluster….etc. klingen in englischen Ohren genau so kurios wie für uns etwa Gockelschwanz, Gripsbrodeln, Kitze/Zicklein, Haufen/Büschel/Traube. ( Cursor ist übrigens kein Eingabefenster, sondern auch auf Deutsch ein (lat.) Cursor.)

Dieser, als Bedeutungswandel bekannte Prozeß entwickelt sich unablässig in jeder lebendigen Sprache. Im Deutschen freilich ist diese sprachschöpferische Fähigkeit, aus der eigenen Substanz heraus, fast gänzlich zum Erliegen gekommen. Stattdessen wird jedwedes, wirklich oder vermeintlich Neue, sofort und definitiv englisch etikettiert. ( inzwischen vieltausendfach!). Es stimmt natürlich, dass Wörter wie Kind/kid oder Jogging/Dauerlauf nicht völlig deckungsgleich sind. Perfekte Synonyme sind in allen Sprachen eher selten; es gibt immer unterschiedliche Bedeutungsnuancen, je nach Kontext, Sprachebene, Rede/Schreib-Anlaß etc. Wie konträr Sprachen allerdings mit diesem „Problem“ umgehen, habe ich, anhand von „Stalking“, ausführlich durchbuchstabiert [ skd: vergl. „Ausbaurückstand“ in „Mitteilungen 1+2/2006]

Schließlich noch eine Anmerkung:Selbstverständlich dient Sprache in erster Linie der Verständigung. Aber sie kommuniziert eben auch sehr viel mehr, nämlich individuelle, gesellschaftliche, kulturelle Identitäten z.B.. Dies ist der tiefere Grund, warum Franzosen, Spanier, Finnen, Polen u.v.a. ihre Sprachen hochhalten und sich dazu bekennen. Ja – horribile dictu – sie schützen ihre Sprachen ausdrücklich!! Und ausgerechnet die USA, die weltweit dominierende, unangefochtene Sprachmacht, hat gerade erst ein Gesetz verabschiedet, zum Schutz von Englisch im eigenen Land ( zur Abwehr v.a. spanischer Einflüsse!).Auf diesem Hintergrund ist es mehr als befremdlich, Deutsch für „so strapazierfähig und offen“ zu erklären, dass es „keinerlei Schutzes bedürfe“. Diese zwar politisch korrekte, aber faktisch widerlegte Einschätzung hat Folgen, denn die Realität sieht ganz anders aus.

In keiner anderen westlichen Kultursprache ist die Pidginisierung so tief und flächendeckend im Vormarsch. Ohne allgegenwärtige Anglizismen bzw.Denglisch ist die deutsche Wirklichkeit nicht mehr adäquat zu beschreiben. Sprachlich leben wir längst aus zweiter Hand.Eine der direkten Folgen des gestörten Verhältnisses unseres Landes zur eigenen Sprache zeigt sich in der EU: Obwohl die zahlenmäßig mit Abstand größte Sprachgemeinschaft, spielt Deutsch in der offiziellen Kommunikation der EU nur eine ganz untergeordnete Rolle, weit hinter Englisch und Französisch…..Frage: Welches Interesse, welche Motivation sollten unsere europäischen Nachbarn und Partner denn auch haben, unsere Sprache zu lernen? Wenn wir sie im eigenen Land nicht ernst nehmen? Ich will es bei diesen wenigen Gedanken bewenden lassen. Vielleicht enthalten sie ein paar Denkanstöße zu diesem Thema, für Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen.
Mit freundlichen Grüßen Dieter Föhr, Dozent am Goethe-Institut i.R.

Quelle: Info VDS 25. Nov. 2006

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