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Lasset uns worten

Wer sich für einen Tischtennismatch, eine Wurzelschnitzer-Ausstellung
oder eine Kleintierschau die Unterstützung eines Sponsors sichert, wird
normalerweise dazu verpflichtet, auf den Plakaten und Prospekten darauf
hinzuweisen, wer denn die Veranstaltung so erfreulich fördert. Aus einer
solchen Unterstützungsvereinbarung habe ich erfahren, wie man so etwas
nennt. Da steht nämlich, dass sich der Empfänger der Wohltat verpflichtet, auf Werbedrucksachen und Internetauftritten ein «Wording» zu verwenden, das da lautet: «Unterstützt von Seppli Hubers Kulturstiftung». Im echten Text kommt der Seppli Huber natürlich nicht vor.

Ich habe den Namen nur als Beispiel gewählt. Der seltsame Ausdruck
«Wording» ist aber nicht erfunden, sondern wörtlich übernommen. Weil ich
nach wie vor der Überzeugung huldige, dass die deutsche Sprache durchaus
ausreicht, solche Tatbestände auszudrücken, habe ich mich geärgert, dass
es irgend ein Depp für nötig hielt, einen weiteren völlig nutzlosen
englischen Ausdruck einzuführen, wo unsere eigene Sprache nicht
überfordert wäre. Mit «wording» bezeichnet man nämlich nichts anderes als
den präzisen Wortlaut eines Textes, einer Abmachung oder Vereinbarung.

Die Typen, die ihren Lebenszweck darin sehen, unsere deutsche Sprache
englisch aufzupeppen, werden wohl sinngemäss vorschlagen, dass wir in
Zukunft nicht mehr «reden», sondern «worten». Was ja dem erwähnten
«wording» ziemlich nahe käme. In der logischen Folge werden wir dann zum
Znüni nicht mehr Brot und Käse essen und Wasser trinken, sondern, broten,
käsen und wassern. Und dabei verblöden.

Hans Hürlemann, Appenzeller Zeitung vom 25.Nov.2006

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