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Jetzt rede ich! — „Keineswegs angekommen!“

Duden-Redaktionsleiter Matthias Wermke sagte im Rundschau-Interview, die Rechtschreibreform werde von den Deutschen inzwischen mehrheitlich akzeptiert. Diese Leserin widerspricht entschieden:

1. Die Rechtschreibreform ist objektiv keineswegs „im Alltag angekommen“. Nach der jüngsten Allensbach-Umfrage vom April 2008 bejahen nur neun Prozent der Bevölkerung die Reform, 55 Prozent dagegen lehnen sie ab.

2. Keineswegs war der Anlass für die Rechtschreibreform von 1996 „der anhaltende Unmut über die komplizierten alten Regeln“. Vielmehr wurde die „Reform“ 1972 in der DDR begonnen und später dann in der Bundesrepublik aufgegriffen, um nicht auch noch in der Orthographie eine Zweistaatlichkeit herbeizuführen. Mit dem Mauerfall bestand diese Sorge nicht mehr, und man hätte das Reformvorhaben ersatzlos streichen können. Statt dessen haben die Professoren, die den offiziellen Auftrag von der Kultusministerkonferenz hatten, ihre eigenen „Liebhabereien“ realisiert und letztendlich Schreibungen des 18. und 19. Jahrhunderts als „neu“ verkauft.

3. Es gibt durchaus nicht „oftmals“ (Wermke) verschiedene Schreibweisen für dieselben Wörter, da gegebenenfalls andere Schreibungen andere Wörter meinen. Zum Beispiel meint „jemanden kaltstellen“ so viel wie „jemanden seines Einflusses berauben“. Dagegen meint „kalt stellen“: „eine Speise zum Abkühlen stellen“. Die Dudenschreibung auch hierfür in einem Wort („kaltstellen“) ist falsch: Man kann nicht zum Beispiel einen Pudding seines Einflusses berauben.

4. Da die Schweiz im Hinblick auf das sprachlich Korrekte schon kräftig ändert – mit dem Ziel, die „von der Rechtschreibreform beschädigte Einheitlichkeit und Sprachrichtigkeit der Rechtschreibung … in der Schweiz wiederherzustellen“ (Schweizer Orthographische Konferenz), sollten wir in Deutschland nachziehen. Erst wenn die Falschschreibungen eliminiert sind, kann sich die Sprache wieder „normal“entwickeln und natürliche Weiterentwicklungen aufnehmen.

5. Schüler machen heute doppelt so viele Fehler wie vor der „Reform“, wie auf der Jahrestagung der „Forschungsgruppe Deutsche Sprache“ im Juli 2008 dargelegt wurde. Die Älteren und alle, die die „Reform“ ablehnen, schreiben dagegen unreformiert und sprachlich korrekt, also nach den immanenten Gesetzmäßigkeiten der deutschen Sprache, wie es Wortschatz und Grammatik erfordern.
Dr. Maria Theresia Rolland
Kölnische Rundschau, 29.August 2008 (S.24)

[Das vollständige Interview und die ungekürzte Antwort darauf (beide elektronisch) können Sie anfordern bei <info@sprachkreis-deutsch.ch>oder lesen bei <sprachforschung.org>

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