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Elsässer verlernen ihre Muttersprache
Dialekt ist nicht mehr gefragt: Den jungen Leuten in der Region reicht Französisch.

In vielen Dörfern im Elsass sprechen nur noch die Alten Elsässisch, unter Jüngeren

ist der heimelig klingende Dialekt nicht mehr sehr verbreitet. Elsässisch verstehen

heute nur noch fünf Prozent der Schulanfänger.

„Vermutlich bin ich eine Art Dinosaurier“, sagt Emilienne Kauffmann lachend.

Die Frau aus dem Sundgau im südlichen Elsass ist Programmleiterin bei Radio

France Bleu Alsace und parliert problemlos auf Französisch, Deutsch oder

Elsässisch. Ihr fällt auf, was sich im Alltagsleben längst bemerkbar macht.

Immer weniger Elsässer beherrschen ihre Muttersprache. In vielen Dörfern

sprechen nur noch die Alten den heimelig klingenden Dialekt, der sich für

ungeübte Ohren wie pfälzische Mundart durchtränkt mit Romanismen anhört. Bei

den Jungen ist er längst nicht mehr en vogue.

„Unsere Hörer, gerade bei den Reportagen, die wir auf Elsässisch bringen,

sind meist über sechzig Jahre alt. Das merken wir auch an den

Hörerzuschriften. Für uns wird es auch immer schwerer, junge Autoren zu

finden, die wirklich gut Elsässisch sprechen“, sagt Kauffmann. Während andere

Regionalsprachen wie Bretonisch, oder selbst das fast ausgestorbene Gälisch

in Irland eine Art Renaissance erleben, interessiert viele junge Franzosen

zwischen Strasbourg und Mulhouse Elsässisch nicht.

„Es liegt wohl daran, dass Französisch auch für unsere Ohren nobler und

gebildeter klingt. Elsässisch ist die Werktagssprache, Französisch die

Sonntagssprache“, sagt Kauffmann. Zudem verdränge das Englische in den

Schulen das Deutsch, so bekomme man auch kein Gefühl mehr für die verwandte

Sprache, meint die Regionalchefin des Senders, der intensiv über den

Landstrich berichtet, der in seiner wechselhaften Geschichte mal zu

Deutschland, mal zu Frankreich gehörte. Dass das Elsässische immer weiter

zurückgeht, diese Erfahrung macht auch Willy Bodenmuller, Ex-Chefredakteur

der Dernieres Nouvelles D Alsace. Die auflagenstärkste Zeitung im Elsass

erscheint auch in einer zweisprachigen Ausgabe – deutsch und französisch.

Aber wie lange noch? „Uns sterben schlicht und ergreifend die Leser weg, die

Elsässisch beherrschen und damit auch naturgemäß die deutsche

Schriftsprache.“ In 30 Jahren habe die bilinguale Ausgabe immer mehr an

Auflage verloren, betont Bodenmuller. Zu Beginn der 70er Jahre hielten sich

die rein französische Ausgabe und die zweisprachige Ausgabe noch weitgehend

die Waage. Davon kann heutzutage keine Rede mehr sein: Mittlerweile

erscheinen knapp unter 15 Prozent der Auflage von rund 200 000 Exemplaren

bilingual. Im südlichen Elsass um Mulhouse erscheinen schon seit vielen

Jahren gar keine zweisprachigen Exemplare mehr. „Ich sage mal so. Das Ende

der bilingualen Ausgabe wurde uns schon oft prognostiziert. Aber wir

versuchen es aufzuhalten. Für wie lange, das wird die Zeit zeigen“, sagt der

pensionierte Chefredakteur, der mehrere Jahrzehnte für die

deutsch-französische Ausgabe zuständig war.

Einen ganz neuen Weg beschreitet die Pamina-Volkshochschule im

nordelsässischen Wissembourg. Die Bildungseinrichtung, die auf beiden

Rheinseiten im Elsass, in der Pfalz und im Badischen agiert, bietet seit

einiger Zeit einen Elsässisch-Kurs an – und zwar speziell für Kinder. Nach

einer aktuellen Studie beherrschen nämlich nur noch knapp über fünf Prozent

der Schulanfänger in der Region ihren heimischen, alemannischen Dialekt. Auch

auf diese Weise will man verhindern, dass die Regionalsprache der rund 1,7

Millionen Menschen zwischen Vogesen und Rhein sich heimlich, still und leise

ganz aus dem Alltagsleben zurückzieht.

Redaktion: Volker Knopf

Bietigheimer Zeitung vom 14.Mai 2009

http://www.bietigheimerzeitung.de/bz1/news/suedwestumschau_artikel.php?artikel=4340120

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