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Das Internet macht Deutsch kaputt

Es gibt Tage, an denen frage ich mich, ob es mit der deutschen Sprache radikal den Bach hinunter geht.

Wörter gibt“s, die sollte es gar nicht geben … [Quelle: siehe Bildergalerie]

Mit 15 Jahren, also vom 17. Juli 2002 bis zum 17. Juli 2003, hatte ich ein großes Hobby: Counter-Strike (dt.). Bitte bleiben Sie ruhig. Ich habe niemanden umgebracht. Außer vielleicht ein paar Umlaute. Umlaute? Ja, genau: Nach wenigen Spielstunden Counter-Strike (dt.) zerstörte ich unbewusst die Existenzen von ä, ö, und ü. Eine gute Freundin machte mich im Deutsch-Unterricht darauf aufmerksam. „Du schreibst genauso wie der Chris!“. „Äh, wie bitte?“. „Ja, ohne die Umlaute. Weil die in Counter-Strike (dt.) auch nicht funktionieren.“ Zzzink! Es traf mich wie der Blitz. Die Frau hat recht (wie immer, aber das nur nebenbei)! Von diesem Moment an wusste ich, das Internet und seine Spiele würden die deutsche Sprache nachhaltig verändern.

In solchen Situationen hilft Selbstreflexion, eigentlich ein Frauending, aber ab und an auch für das männliche Geschlecht recht praktikabel. Hinsetzen also und checken, was ich sonst noch unbewusst zum Besten gebe. Die Abkürzung „lol“ zum Beispiel, wenn ich etwas lustig finde. Oder „WTF?“, also „What the F***“ (zu Deutsch: „Was zum Teufel … „), bei Aussagen, die sich meinem Verständnis entziehen. Das passiert oft. Also viele „WTF?s“. WTF?, ich zerhackte die Deutsche Sprache regelrecht in Abkürzungen für englische Wörter. Auch wenn das banal erscheinen mag, irgendwie vermochte mich diese Erkenntnis aus der Bahn zu werfen. Die Konsequenz: Ich setzte Counter-Strike (dt.) ab, was kein großer Verlust war. Mein „Skill“ hinkte selbst dem „Noob“-Status um Hunderte Kills hinterher. Oder anders ausgedrückt: Mein Zielvermögen konstatierte sich fest auf Neulings-Niveau. Wie dem auch sei, kurze Zeit später huschten „ä“, „ö“ und „ü“ wieder in meinen Wort- und Schreibschatz. Die deutsche Sprache hatte mich zurück!

Zeitsprung, knapp vier Jahre später: Ende 2006 sitze ich vor dem Fernseher und schaue eine IQ-Test-Sendung mit deutscher B- und C-Prominenz (Sie wissen schon, das sind all jene, für die im Dschungel-Camp kein Platz mehr war). Zu diesem Zeitpunkt war ich mir der zunehmenden „Verdenglischung“ unserer Sprache wohl bewusst. Und ich hatte mich damit abgefunden. Doch plötzlich: Ein verbaler Tiefschlag haut mich aus den Socken; „Welcher der folgenden Begriffe wurde 2006 in den Duden aufgenommen?“, fragte der Moderator in die Runde. An alle vier Antwortmöglichkeiten kann ich mich heute nicht mehr erinnern, wohl aber an die richtige Lösung, die da hieß: „voipen“. Ich gebe Ihnen kurz Zeit, den Begriff zu verdauen und mache einen Absatz.

Ehrlich: Von all den Worten, die ich je in meinem Leben gehört habe, ist „voipen“ das mit Abstand schlimmste. Zur Erklärung, falls es jemand nicht kennt: Voipen fungiert als knackige Kurzform der Wortverbindung „Voice-over-IP“, was so viel bedeutet wie „über das Internet telefonieren“. Nun neigt der Deutsche dazu, an die Grundform seiner Verben ein „en“ zu hängen. Und scheinbar, zumindest drängt sich mir diese Vermutung auf, vermeidet der deutsche Sprachwissenschaftler beim Kreieren neuer Begrifflichkeiten große Denkumwege. Jedenfalls klebt dem „Voip“ nun ein „en“ am Hintern, was sich in seiner vollen Pracht „voice-over-ip-en“ liest. Schlagartig fühlte ich mich in den Deutsch-Kurs zurückversetzt. Das Internet verbog unsere Sprache zu seinen Gunsten. Schon wieder.

Mein Kopf begann zu rattern – was kommt als nächstes? Ein paar Vorschläge zischten mir durchs Gehirn, vielleicht vermag der ein oder andere es in den Duden zu schaffen: Wie wäre es zum Beispiel mit „Imen“ ( = Instant-Messaging-en). Oder „cmsen“ ( = Content-Management-System-en). Oder – mein persönlicher Favorit – „sonen“, was so viel bedeutet wie „Social-Network-en“. Und seit Wilke zum Wochenende #1 wissen Sie ja, was ich von „sonen“ halte. Nun drängt sich mir die Frage auf, wie groß denn die Wahrscheinlichkeit ist, dass solche Begriffe in den Duden aufgenommen werden. Aufgrund der großen (und zunehmenden) Popularität der genannten Aktivitäten, bin ich bestürzt-zuversichtlich. „Bloggen“ und „Chatten“ haben es schließlich auch geschafft.

Und natürlich „Voipen“ …

Es gibt Tage, an denen geht es mit der deutschen Sprache wirklich den Bach hinunter.

In diesem Sinne: Ein schönes Wochenende!

Thomas Wilke

20. Juli 2009


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