Ein Ausbund an Tugend, Güte und Gelehrsamkeit
Redensarten 2b

Die unverletzte Ehre spielte in früheren Zeiten eine viel grössere Rolle als heute. War es da nicht besser,

Ein Ausbund an Tugend, Güte und Gelehrsamkeit zu sein? Nicht selten heisst es aber auch, ein Ausbund von Frechheit und Unverfrorenheit sein. Die Redensart ist meist scherzhaft oder ironisch, selten respektvoll gemeint und wird angewandt, wenn sich jemand seiner angeblich guten Eigenschaften selbst besonders rühmt. Sie geht auf einen einstigen Kaufmannsbrauch zurück, von der gekauften Ware ein besonders schönes Stück aussen auf die Verpackung zu binden – den Ausbund also, damit jedermann die gute Ware sehen konnte. Man sieht, Werbung wurde schon zu allen Zeiten betrieben, denn wer nicht die Werbetrommel rührt, kann schnell

Am Hungertuch nagen: Das heisst, sich nichts mehr leisten können, ärmlich leben, im schlimmsten Falle hungern, darben. Die Wortbedeutung ist eigentlich eine ganz andere und es müsste richtig heissen „am Hungertuch nähen“. In der Fastenzeit wurde schon um das Jahr 1000 in den Kirchen vor dem Altar ein grosser weisser Vorhang angebracht – das Hungertuch. Es sollte den Altar verhüllen und an Busse erinnern. Am Mittwoch der Karwoche wurde es während der Passion unter Hinweis auf die Leidensgeschichte mit den Worten „Velum templi scissum est“ (= und der Vorhang im Tempel zerriss) entfernt. Da zum Verhüllen des Altars ein sehr grosses Stück Leinen vonnöten war, wurde das Tuch aus einzelnen Teilen zusammengenäht. Später geriet dieser Brauch, der heute nur noch vereinzelt gepflegt wird, in Vergessenheit und die eigentliche Wortbedeutung wurde somit nicht mehr verstanden. So wurde aus „nähen“ dann „nagen“, da man „nagen“ eher mit Hunger(tuch) in Verbindung brachte.

Damit es erst gar nicht so weit kommt, will ich ganz schnell

Hals- und Beinbruch wünschen. Ein besonders wichtiger Wunsch vor schwierigen Entscheidungen und Vorhaben, die mit einem gewissen Risiko verbunden sind. Aber warum Hals- und Beinbruch und nicht gleich „Alles Gute“? Einem alten Aberglauben nach werden bei unverhüllten Glückwünschen die Götter neidisch, es werden böse Dämonen und Geister angelockt. Wird aber etwas Schlechtes, in diesem Falle Hals- und Beinbruch gewünscht, werden die Geister listig hinters Licht geführt – und alles wird gut. Nach Mühen und Plagen und dem Gelingen unserer Pläne können wir denn ganz bestimmt

die wohlverdienten Lorbeeren ernten. Die Blätter des Lorbeerbaumes sind seit der Antike ein Symbol für Ruhm und Ehre, das dem Volk gut sichtbar verkündete: Seht her, ich habe es geschafft, ich habe meine Ziele erreicht. Bei den antiken Olympischen Spielen wurden die Sieger mit Lorbeerkränzen geehrt. Im alten Rom schmückte sich der Kaiser damit und die siegreich heimkehrenden Feldherren zogen lorbeerbekränzt im Triumphzug aufs Kapitol. Aber ach, so mancher Schein trügt. Besonders dann, wenn sich jemand mit falschen Lorbeeren schmückt, das heisst, einen Verdienst für sich beansprucht, der eigentlich einem anderen gebührt. Genauso werden Vorschusslorbeeren verteilt, ohne dass das Können der betreffenden Person überhaupt erwiesen ist. Das kann unter Umständen ganz schön peinlich werden, wenn sich herausstellt, dass der überaus Gelobte

Eine Schlafmütze ist. Die einst zur Nachtzeit übliche Kopfbedeckung ist längst aus der Mode gekommen und so verstehen wir heute unter diesem Begriff einen verträumten, unaufmerksamen, schläfrigen, oftmals geistesabwesenden Menschen. Dass „schlafmützig sein“ eine anstrengende Angelegenheit sein kann, besagt ein humorvoll gemeintes Sprichwort aus Kuba: „Wer die ganz Nacht geschlafen hat, darf sich am Tag auch ausruhen.“ Wenig Humor bewies allerdings Fidel Castro, der 1960 die Verbreitung dieser Redensart unter Strafe stellte. Der bekannte Revolutionsführer hielt wohl mehr vom Sprichwort

Morgenstund hat Gold im Mund. Gemeint ist aber damit beleibe nicht der mit Gold überkronte Zahn. Vielmehr verbindet sich damit die Ansicht dass, wer sich frühzeitig um seine Angelegenheiten kümmert, die Nase vorn hat und, es zu etwas bringen und viel im Leben erreichen wird. Dabei hat die Redensart überhaupt nichts mit dem Mund zu tun. Sie geht auf das altdeutsche Wort „munt“ (=Hand) zurück. Die „Hand“ versinnbildlichte im altgermanischen Recht Macht im allgemeinen, aber auch die Macht über einen Menschen. Im Wort „Vormund“ kommt dies sehr gut zum Ausdruck. Unsere Aufforderung an jemanden, sich um seine Belange zu kümmern, müsste folglich richtig heissen: Morgenstund hat Gold in der Hand! Wer möchte das nicht gerne – Gold in der Hand haben, das ist bestimmt

Kein Pappenstiel. In der Redewendung steckt gegensätzliche Bedeutung: „Das ist kein Pappenstiel“ sagen wir, wenn jemand etwas Schwieriges vor sich hat. Gemeint ist damit, dass es sich nicht um eine Kleinigkeit, etwas Geringes handelt, das sich mit links erledigen lässt. Im

Gegensatz dazu: etwas „für einen Pappenstiel erwerben, kaufen“ – es ist sehr billig, es ist nichts wert. Mit (Papier) Pappe hat die Redewendung allerdings nichts zu tun, sondern mit dem besonders im Allgäu besonders zahlreich vorkommenden Löwenzahn, der niederdeutsch „Papenblume“ und lateinisch pappus heisst. Löwenzahn gibt es viel und überall, er ist im übertragenen Sinn somit nichts wert. Dem möchte ich aber auf keinen Fall zustimmen, denn der wunderschön blühende Löwenzahn ist im Frühjahr eine wahre Augenweide und es wäre sehr schade, sollte er

Flöten gehen. Diese Redewendung ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich ursprüngliche Wortbedeutungen verändern, denn mit der Flöte, dem Instrument, hat sie nichts zu tun. Sie stammt nämlich vom hebräischen peleta (=Flucht des Betrügers). Davon leitet sich auch „Pleite“ ab. „Pleite“ kam abgewandelt als „feleta“ über die Niederlande als „flöten“ nach Deutschland. „Flöten gehen“, „pleite gehen“, haben den Sinn von Ruin und Zugrundegehen zum Inhalt. Auch wenn manchmal die Zukunftsaussichten nicht so rosig sind, will ich

nicht

unken: Alles schlecht reden, miesmachen, ein Unglück vorhersagen. Die Unke, eine zwar harmlose, aber nicht gerade schöne Kröte, galt früher als böser Geist, dem nachgesagt wurde, Schaden über Haus und Familie zu bringen. Niemand wollte eine Unke im Hof und Garten haben und je früher so einem Tier

Der Garaus gemacht wurde, um so besser. Gemeint ist, man will jemanden umbringen, ihn töten, vernichten. Die Redewendung hatte früher eine harmlose Bedeutung. Wollten der Wirt, aber auch die Gäste einen besonders trinkfesten Zecher zum Austrinken bewegen, so prosteten sie ihm mit den Worten „gar aus“ (= den Becher leeren) zu. Daher der Sinn von Schluss, Ende = aus. Dem Wirt seinen Umsatz sichern und als Gast ein oder zwei Gläser trinken – alles recht und schön, aber was ist mit

Saufen wie ein Bürstenbinder? Unmengen in sich hineinschütten, ohne Mass und Ziel. In der heutigen Zeit ist leider allzuoft vom „Komasaufen“ die Rede. Das ehrbare Handwerk der Bürstenbinder hat damit nichts zu tun. Die Redewendung entstammt der Studentensprache. „Bursa“ war die gemeinsame Kasse der mittelalterlichen Studenten, die „Bursen“ hiessen. Aus beiden Worten wurde im Laufe der Zeit „Burschen“, das sich über „Bürschen“, zu „bürschten“ und dann zu „bürsten“ wandelte, im Sinne von trinken. Das war, wenn man den Berichten vom lustigen Studentenleben Glauben schenken darf, ja neben dem Studium eine nicht unwesentliche Beschäftigung der Studenten, von da an war es dann nur noch ein kleiner Schritt zum „Bürstenbinder“. Vielleicht, weil man sich ja beim Trinken einen hinter den Binder (Krawatte) giesst.

Ich kann mir ganz gut vorstellen, dass es oft dringend nötig war und auch heute noch ist, einem vom Alkohol benebelten Mitmenschen freundlicherweise

Unter die Arme zu greifen. Wir verwenden die Redensart heute im übertragenen Sinn, jemandem aus einer misslichen Lage helfen und ihm mit Rat und Tat behilflich sein. Ursprünglich war dies wörtlich gemeint: Ein Beispiel dafür ist der Knappe, der dem gestürzten Ritter wieder auf die Beine hilft, weil dieser es wegen seiner schweren, unbeweglichen Rüstung alleine nicht schafft.

Aus „unter die Arme greifen“ haben sich Abwandlungen entwickelt. So etwa:

„Du willst mich wohl auf den Arm nehmen“: Es ist mehr ironisch oder scherzhaft gemeint. Helfen, weil der andere es alleine nicht schafft, weil er dazu zu dumm ist. Weniger freundlich und hilfsbereit dagegen sind zwei weitere Abwandlungen der Redewendung:

Mit „Einen langen Arm haben“ ist im übertragenen Sinn eine sehr grosse Reichweite gemeint, einen gewichtigen Einfluss zu haben. Jemand „am steifen Arm verhungern lassen“ ist als Drohung gemeint und man sollte sich nicht Illusionen hingeben, dass uns bei diesem Angebot, einen derartigen Kraftakt zu vollbringen,

Jemand veräppeln will. Sich auf Kosten eines anderen lustig machen, ist der heutige Sinn. Dabei kommt es immer auf den Ton an, ob es mit einem Augenzwinkern geschieht oder beleidigend, verletzend gemeint ist. Die ursprüngliche Bedeutung ist alles andere als lustig.

Die Redewendung hat überhaupt nichts mit „Äpfeln“ (Äppeln) zu tun, wie man vielleicht meinen könnte, sondern kommt vom Jiddischen eppel (=nichts). Will man jemanden veräppeln, will man ihm schaden, ihn vernichten. Rache ist süss, heisst es, aber aus einem Mitmenschen ein „Nichts“ zu machen, sollte gut überlegt sein. Man kann keinen so einfach

In Bausch und Boden verdammen, ohne jeden Unterschied. Die Redewendung hat mit den Flurbezeichnungen zu tun: Die nach aussen verlaufende Grenzlinie wird als „Bausch“, die nach innen laufende als „Bogen“ bezeichnet. Bausch stellt den (Land-) Gewinn, Bogen den (Land-) Verlust dar. Bei einem Landverkauf in Bausch und Bogen wurde keine Einzelvermessung vorgenommen. Eine Begebenheit „aufbauschen“, bedeutet also, sie grösser zu machen, als sie in Wirklichkeit ist. Aus dem Wort Bausch hat sich im Laufe der Zeit der Begriff „pauschal“ entwickelt. Eine pauschale Meinung zu vertreten, egal ob über ein Ereignis oder ein Land und seine Bürger, führt schnell zu Vorurteilen und Fehleinschätzungen. Nicht selten folgt dann das

Ende und/oder Ente. „Das dicke Ende kommt noch“ heisst so viel wie: Es gibt noch eine unangenehme Überraschung, das Schlimmste ist noch nicht ausgestanden. Der Begriff stammt aus den Soldatensprache, denn früher drehten die Soldaten im Nahkampf das Gewehr um und schlugen mit dem Kolben (dickes Ende) aufeinander ein.

Und nun noch zur „Ente“: Eine Falschmeldung, eine Lügengeschichte. Über das Federvieh Ente gibt es sehr viele Fabeln. Man sagt ihr nach, dass sie im Brutgeschäft sehr unzuverlässig sei, daher wohl ihr schlechter Ruf. Unser Begriff „Zeitungsente“ ist die Übersetzung des französischen canard. Es bedeutet sowohl Ente als auch Flugblatt.

Warum ich gerade „Ende“ und „Ente“ für das Ende meines Aufsatzes gewählt habe? Nun, zum einen bin ich am „Ende“ meiner Ausführungen angekommen und zum anderen habe ich alles nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben, ich habe versucht, Ihnen, werte Leserinnen und Leser, keine „Ente“ aufzubinden.

Quellen:

Kurt Krüger-Lorenzen, „Deutsche Redensarten- und was dahinter steckt. VMA-Verlag Wiesbaden;

Das aktuelle Wissen.de-Lexikon

Der grosse Brockhaus, Bertelsmann-Verlag;

Eckart Peterich, Götter und Helden der Germanen, dtv.

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar