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Hochschulen wollen die Sprache entmannen und geben Empfehlungen für ein «geschlechtergerechtes» Deutsch ab. Für Linguisten ist das «Blödsinn».

Von Nadja Pastega / www.sonntagszeitung.ch

Literarisches Vergnügen ist vom «Studienreglement» der Pädagogischen Hochschule (PH) Bern nicht zu erwarten. Das Werk strapaziert den Leser ungemein. «Studienanfängerinnen und Studienanfänger», heisst es da geschraubt. Der Text richtet sich an «die Verfasserin oder den Verfasser der Masterarbeit» und an «die Beisitzerin oder den Beisitzer aus dem Kreis der Dozierenden». In Artikel 32 steht: «Tritt die Kandidatin oder der Kandidat während der Prüfung zurück oder erscheint sie oder er nicht an der Prüfung, hat sie oder er der Leiterin oder dem Leiter des Instituts einen Beweis für das Vorliegen eines zwingenden Grundes beizubringen.»

«Splitting» nennt man diese Verbalgirlanden, mit denen die PH Bern die Geschlechtergerechtigkeit voranbringen will – sprachtechnisch gesehen. Die Regeln für den politisch korrekten Gender-Speak gibt der «Leitfaden sprachliche Gleichbehandlung von Frau und Mann» vor.

Studenten gibt es keine mehr, nur noch Studierende.

Laut offizieller Sprachregelung ist das generische (geschlechterübergreifende) Maskulinum verboten. In Wörtern wie «der Mitarbeiter» oder «der Kunde» seien Frauen «nicht sichtbar». Damit, heisst es in der Einleitung des Berner Leitfadens, werde «eine männliche Voreingenommenheit im Denken der Sprachbenutzerinnen und Sprachbenutzer erzeugt». Das führe zu «einer Untervertretung weiblicher Referenz im Denken» und stelle eine «Benachteiligung» dar.

Zwar ist es bei «die Geisel» umgekehrt – aber egal, die Empörung über die männliche Dominanz ist gross.

Der Fussgängerstreifen beleidigt die weibliche Identität

Und das nicht nur an der PH Bern. Kaum eine Schweizer Hochschule kommt heute ohne «geschlechtersensible» Sprachfibeln aus. Überall sind Säuberungskommandos am Werk – von der HSG in St. Gallen über die ETH bis zu den Universitäten und Fachhochschulen in Zürich, Luzern, Bern und Basel. Geht es nach den Gleichstellungsbeauftragten, braucht die deutsche Sprache eine Geschlechtsumwandlung.

Vor allem männliche Berufs- und Personenbezeichnungen sind ihnen ein Dorn im Auge. Anstelle von «Mitarbeiter», «Teilnehmer» oder «Referent» solle man neutrale Begriffe wie «Mitarbeitende», «Teilnehmende» und «Referierende» setzen. Studenten gibt es keine mehr, nur noch Studierende. Keine Lehrer, sondern «Unterrichtende». Der Computerexperte wird zur «Computerfachperson» entmannt, und die Mannschaft heisst «Gruppe». Klar, dass Ausdrücke wie «Not am Mann» tabu sind. Bei Bedarf, heisst es, solle man die Sprache gezielt als «Sensibilisierungswerkzeug» einsetzen. Beispiel: «Heute erzähle ich euch das Märchen von Gretel und Hänsel.»

Die Leitfäden der Hochschulen gehen aber noch weiter. Auch bei Zusammensetzungen muss umformuliert werden. Statt «Kundenzufriedenheit» soll man «Zufriedenheit der Kundschaft» schreiben und sagen. Das «gesetzgebende Organ» soll den Gesetzgeber ersetzen. Hier sind die Frauen zwar auch «unsichtbar» – aber das bringt die Gender-Riege nicht aus dem Konzept.

Und so gerät auch der geschlechterunsensible «Fussgängerstreifen» in grosse politische Zusammenhänge. Er beleidigt die weibliche Identität. Also die halbe Menschheit. Der Berner Leitfaden empfiehlt, ihn durch «Zebrastreifen» zu ersetzen. Da mag auch die Stadtpolizei in Zürich nicht zurückstehen und schreibt in ihren Pressemitteilungen von «Velofahrenden», «Zufussgehenden» und «Verkehrsteilnehmenden».

Missachtung des Sprachdiktats gibt eine Note Abzug

«Blödsinn», nennt das der deutsche Sprachwissenschaftler und Autor Daniel Scholten. Alle Sprachleitfäden von Frauenbeauftragten an Hochschulen und anderen Einrichtungen täuschten vor, auf wissenschaftlichen Forschungen zu gründen. «Tatsächlich handelt es sich um aktionistische Pseudowissenschaft», so Scholten: «Dass uns Grammatik psychologisch beeinflusst, hat die Sprachwissenschaft schon vor einem Jahrhundert als Unsinn erledigt.»

Ähnlich sieht es Peter Glatthard, Vorstandsmitglied beim «Sprachkreis Deutsch» und Redaktor beim Amtlichen Bulletin der Bundesversammlung. Die Gesellschaft lasse sich kaum dadurch ändern, «dass von der Sprache gefordert wird, die Frauen in Sinne der Gleichberechtigung überall explizit zu nennen». Da seien andere Mittel wie Erziehung und Bildung wichtiger.

Inzwischen haben sich auch «Queer»-Theoretiker in die Debatte eingeschaltet.

Doch eine «gegenderte» Sprache ist an den Hochschulen Pflicht. Das gilt nicht nur für Reglemente, Weisungen, Formulare und jeden Postausgang – auch für die Studenten ist Gender-Speak Vorschrift. Wer nicht spurt, kriegt Ärger.

Eine «gendergerechte Sprache» sei bei Bachelor- und Masterarbeiten genauso «ein Anforderungskriterium» wie die korrekte wissenschaftliche Zitierweise, sagt Michael Gerber, Sprecher der PH Bern. «Wenn dieses Kriterium nicht erfüllt ist und ein Student wiederholt ‹Lehrer› schreibt, aber beide Geschlechter meint, gibt es einen Abzug, oder die Arbeit wird zurückgewiesen.» Auch an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) haben Verstösse Konsequenzen. Je nach Fach, sagt Sprecherin Franziska Egli Signer, kann für sprachliche Mängel «eine Viertel- bis eine ganze Note abgezogen werden».

Künftig könnte den Studenten noch weiteres Ungemach drohen. Inzwischen haben sich auch «Queer»-Theoretiker in die Debatte eingeschaltet. Ihnen ist das Schema Frau/Mann zu eng. Sie wollen, dass auch Intersexuelle, Transsexuelle, Lesben und Schwule im Schriftbild vorkommen. Dazu eigne sich der «gender gap»: Bürger_ innen. Dieser hat bereits Eingang gefunden in den Leitfaden der ZHAW. Die durch den Unterstrich geschaffene Lücke, heisst es dort, «soll vielfältige Möglichkeiten und Gestaltungsräume symbolisieren».

Gender-Speak an den Hochschulen – ein paar Beispiele

Schweizer Hochschulen geben Empfehlungen für eine «geschlechtergerechte» Sprache ab:

  • Geschlechtsspezifische Wörter sind zu vermeiden. Männlichen Bezeichnungen wie «Sozialpartner», «Arbeitgeber» oder «Gesetzgeber» sollen durch neutrale Begriffe wie «Interessenvertretung», «Firma» und «gesetzgebendes Organ» ersetzt werden.
  • Das Wort «Teilnehmerliste» gilt als sexistisch, falls es sich nicht um eine reine Männergesellschaft handelt. Dann muss es heissen: «Liste der Teilnehmenden».
  • Anstelle von Wörtern wie «benutzerfreundlich» und «anwenderbezogen» muss man «benutzungsfreundlich» und «anwendungsbezogen» schreiben und sagen.
  • Auf der Abschussliste zuoberst stehen Wörter, die das erkennbare Wort «Mann» enthalten. Aus «Mannschaft» wird «Gruppe» oder «Team». «Jedermann» ist auszumerzen und durch «alle» zu ersetzen.
  • Ausdrücke wie «die Hosen anhaben», «Not am Mann», «das schwache Geschlecht» sind verboten – «ausser in satirischen Texten». – Zusammengesetzte Wörter mit einem geschlechtsspezifischen Teil sind tabu. «Mitarbeiteressen» oder «Partnerschule» müssen ersetzt werden durch «Mitarbeitendenessen» und «die Schule, mit der wir kooperieren». Aus den «Anwaltskosten» werden «Kosten für die Rechtsvertretung».
  • Die Anrede «Hans Mustermann» soll aus Beispielformularen verschwinden. Vorgeschlagen wird: Hans Berner und Susi Zürcher.
  • Auf korrektes Formulieren ist auch bei Personennennungen zu achten. Statt «Prof. Knut Mächler reiste in Begleitung seiner Frau nach Bern» muss es heissen: «… reiste in Begleitung seiner Frau, der Geografin Alma Berger, nach Bern.» Wie die gendergerechte Formulierung lautet, wenn die Gattin Hausfrau ist, blieb auf Anfrage unbeantwortet.

Wuchernder Gender-Wahnsinn

Kommentar Nadja Pastega, Nachrichtenredaktorin bei der «SonntagsZeitung», befürchtet, dass plötzlich die Männer eine Gleichstellung verlangen

Früher interessierten sich nur feministische Zirkel für die «geschlechtergerechte» Sprache. Inzwischen hat sie den Mainstream erreicht. Kaum eine Regierung, eine Behörde oder eine Hochschule kommt ohne Regelwerke für «gendersensible» Formulierungen aus.

Den sprachplanerischen Korrekturmassnahmen der Gleichstellungsbeauftragten wagt sich kaum jemand zu widersetzen, weil man fürchten muss, als Gegner der Gleichstellung dazustehen. Daran ändert auch nichts, dass die Empfehlungen der Gender-Riege zum Teil völliger Unsinn sind. Das gilt zum Beispiel für die «gegenderten» Dozenten, die jetzt «Dozierende» heissen: Ein Dozent, der nicht doziert, sondern isst, ist kein Dozierender, sondern ein Dozent, der isst. Auch Wähler und Wählende sind keineswegs dasselbe. Oder Einwanderer und Einwandernde.

Vor allem das generische Maskulinum – «der Mitarbeiter» für männliche und weibliche Mitarbeiter – hat in der Gender-Szene einen schlechten Ruf. Dabei sollte längst klar sein, dass das grammatikalische Geschlecht nicht das gleiche ist wie das natürliche Geschlecht. «Der Löffel», «die Gabel», «das Messer» sind von der Bedeutung her alle sächlich, haben aber ein unterschiedliches grammatikalisches Geschlecht.

Doch die Frage, ob man die Sprache verändern muss, um die Gesellschaft zu verändern, spielt in der Debatte keine Rolle mehr. Auch wenn die Bedeutung von «der Kunde» so geschlechterübergreifend ist wie «der Mensch». Und bei «Person» oder «Koryphäe» niemand automatisch an eine Frau, nur weil diese Wörter grammatikalisch weiblich sind.

Wenn der Gender-Wahnsinn weiterwuchert, könnten dereinst die Männer auf die Barrikaden steigen und erklären, sie hätten es satt, in diesem Land sprachlich immer nur mitgemeint zu sein – ab sofort müsse es geschlechtsneutral heissen: «Das Schweiz».

 

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