Die beliebtesten Irrtümer

Die Sprache verändert sich

Wohl jeder von uns hat diesen [?] schon einmal verwendet. Und viel wird mit diesem Satz gerechtfertigt: „Wir müssen die Anglizismen hinnehmen, die Sprache hat sich doch immer schon verändert“, „Wir müssen die Rechtschreibung verändern, weil sich die Sprache verändert.“ Der Durchschnittsmensch hört diesen Satz und akzeptiert dann alles. Und doch ist er falsch, die Sprache verändert sich nicht. Halt, halt, wird da manch einer sagen, das stimmt doch nicht, wir sprechen doch nicht mehr wie im Mittelalter, ohne Studium kann man Althochdeutsch nicht verstehen, nicht einmal immer Luther. Nun, ich bestreite nicht, daß die Sprache anders ist als früher, aber sie verändert sich nicht. Schon Wittgenstein wies darauf hin, daß das Denken durch die Ausdrucksweise der Sprache in die Irre geführt werden kann. Die Sprache verändert sich nicht, sondern sie wird verändert, und zwar vom Menschen. Früher haben Herrscher, Sprachakademien, Sprachgenies wie Dichter oder Sprachpfleger und das gemeine Volk sie verändert, heute nehmen sich vornehmlich die internationalen Konzerne dieser Aufgabe an. Die Sprache wird vom Menschen verändert, aber nicht immer bewußt, absichtlich, sondern auch unbewußt (vgl. Keller, Rudi: Sprachwandel, UTB 1567), sowie ein Stau ja nicht absichtlich von Menschen verursacht wird, aber von Menschen verursacht wird. – Man kann aber den Satz „Die Sprache verändert sich“ schon benutzen, nämlich wie den Satz „Der Porsche hat sich in den letzten zwanzig Jahren verändert“, also im übertragenen Sinne, aber nicht im Sinne von „Tante Kunigunde hat sich in den letzten zwanzig Jahren verändert“, denn der Sprache wohnen keine Gene inne, welche die Geschichte der Sprache steuern. Das große Problem, das zu vielen Mißverständnissen geführt hat, ist, daß viele Menschen die Sprache bewußt oder unbewußt als einen Organismus behandelten und behandeln.
Dr. Gottfried Fischer, Wien

Der Gesichtserker
Niemals verlangte Philipp von Zesen (oder ein anderer Sprachpfleger) die „Verdeutschung“ von Nase zu Gesichtserker. Zesen (1619-1689) war ein eifriger Verdeutscher, und zwar so eifrig, daß ihn zeitweise sogar die „Fruchtbringende Gesellschaft“ rügte, die ihn aber dann schließlich doch als Mitglied aufnahm. Viele (nicht alle) seiner Verdeutschungen sind heute Allgemeingut unserer Sprache, wer würde heute noch über das Wort Abstand (vor Zesen: Distance) lachen? – Seine Gegner wollten sich über ihn lustig machen und erfanden die absonderlichsten Verdeutschungen (wie pelzerne Mausefalle statt Katze) und schoben sie ihm in die Schuhe. Besonders schlimm ist Gesichtserker statt Nase, weil Nase ohnehin ein deutsches Wort ist, Erker aber aus dem nordfranzösischen arquiere (gehört letztlich zu lat. arcus „Bogen“) entlehnt ist! Es handelt sich wohl um die genialste Propagandalüge aller Zeiten, denn selbst nach 300 Jahren glaubt jeder, auch berühmte Sprachwissenschafter, daß die Verdeutscher ihnen die Nase nehmen wollen.
Dr. Gottfried Fischer, Wien

(skd) Der Schriftleiter des Vereins „Muttersprache“, des größten Sprachpflegevereins Österreichs /http://www.muttersprache.at/ hat eine neue Seite im Weltnetz geschrieben (im Aufbau). Wir bringen eine erste Auswahl. (ohne Gewähr).

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