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Do you speak Switzerenglish?

Englisch wird auch hierzulande immer bedeutender. Das führt zu politischen Spannungen und zu neuen Verständigungsproblemen: Die Schweiz ist daran, ihr eigenes «fehlerhaftes» Englisch zu entwickeln.Seit dem Start des Frühenglischversuchs an Zürcher Primarschulen 1997 ist Englisch in der Schweiz zum Politikum geworden. Immer mehr Deutschschweizer Kantone wünschen sich die Weltsprache Englisch nach dem Beispiel von Zürich und jüngst Appenzell Innerrhoden möglichst früh in den Lehrplänen, während andere, vorab in der West-und Südschweiz, dadurch die Bedeutung der Landessprachen bedroht sehen. Die Fronten sind mittlerweile so verhärtet, dass die eigentlich angestrebte gesamtschweizerische Koordination des Fremdsprachenunterrichts blockiert ist.
Schweiz als Sonderfall
An der zunehmenden Bedeutung des Englischen im hiesigen Alltag ändert sich dadurch aber nichts. In den letzten zehn Jahren ist Englisch zwar nicht auf breiter Ebene, doch in manchen Branchen und Kreisen zur neuen Verkehrssprache geworden. Interessanter-weise bedienen sich Schweizer und Schweizerinnen des Englischen ausser für Kontakte mit dem Ausland vermehrt auch zur innerschweizerischen Verständigung. «In Gross-firmen wie UBS, Swisscom oder Novartis ist die Sitzungssprache zuweilen auch dann Englisch, wenn keine , aber halt Schweizer aus unterschiedlichen Sprachregionen anwesend sind», hat der eng-lische Sprachforscher Richard Watts beobachtet. Ähnliches sei ihm etwa aus Deutschland nicht bekannt.
Der Linguistikprofessor der Universität Bern geht wie seine Kollegen Peter Trudgill von der Universität Freiburg und David Allerton von der Universität Basel davon aus, dass Englisch in der Schweiz wegen ihrer Mehrsprachigkeit verbreiteter ist als in den meisten nichtenglischsprachigen Ländern. In einem neuen Projekt des Schweizerischen Nationalfonds stellen die drei Wissenschaftler die Hypothese auf, dass der regelmässige gemeinsame Gebrauch von Englisch unter Deutschschweizern, Romands und Tessinern, in zweiter Linie auch unter Schweizern und «native speakers», allmählich landesweit zu einem neuen Englisch führt, das sie «Pan Swiss English» nennen.
«Swiss Pidgin English»?
Als typisch für dieses schweizerische Englisch kann die Reduktion und Vereinfachung der sprachlichen Formen oder die Vermischung mit Elementen der Muttersprache gelten, wie sie auch aus dem «Pidgin English» etwa aus Indien oder Nigeria bekannt ist. Zwar sei die gegenseitige Verständigung zwischen der «Pan Swiss English»-Gruppe und Leuten englischer Muttersprache kein ernsthaftes Problem und ein direkter Vergleich mit Pidgin-Sprachen daher unangemessen, betonen die Forscher. Zugleich weisen sie aber auf Untersuchungen hin, die zeigen, dass es in Schweizer Firmen in Diskussionen zwischen Briten oder Amerikanern mit ihren schweizerischen Kollegen immer wieder zu Missverständnissen kommt. Dies ist etwa der Fall, wenn im Gespräch Wörter fallen wie «Wellness» oder «Handy», die es im Englischen eigentlich gar nicht gibt. Verwirrung stiften auch häufig gebrauchte, aus allen oder mehreren schweizerischen Landessprachen herleitbare Formen wie «actual» in der Bedeutung von «aktuell» statt «tatsächlich». Schon länger in der Schweiz lebende Menschen englischer Muttersprache wiederum kennen diese Formen und brauchen sie sogar selbst: Dass sein britischer Lektor bereits «foil» (von deutsch «Folie») sagt, wenn er «transparency» meint, ist für Watts ein Indiz dafür, dass in der Schweiz ein «Fokussierungsprozess» im Gang ist, in dessen Verlauf sich das «Pan Swiss English» zunehmend verfestigt.
Ob diese Annahme stimmt und wie der «Fokussierungsprozess» sich allgemein-modellhaft darstellen lässt, will die Forschungsgruppe in den nächsten drei Jahren zeigen. Auch gilt es, auf der Basis eines Vorprojekts weitere mündliche und schriftliche «Swiss English»-Texte zu sammeln und zu einer repräsentativen Beispielsammlung zu vereinen. Eine solche Textsammlung existiert heute ebensowenig wie die im Projekt verfolgte fundierte Beschreibung des in der Schweiz verwendeten Englisch, seiner spezifischen Strukturen, Fehler und Funktionen.
Mögliche Konsequenzen
Unabhängig davon, ob sich die Hypothese des «Pan Swiss English» schliesslich bewahrheitet oder nicht, lässt das «Pan Swiss English»-Projekt also interessante Ergebnisse erwarten, die nicht zuletzt auch Rückschlüsse für die politischen Sprachdiskussionen und für den künftigen Englischunterricht in unserem Land ermöglichen. Einer adäquaten Englischausbildung misst die Forschungsgruppe besonderes Gewicht bei, da ohne sie der steigende Gebrauch des Englischen in der Schweiz «eher zu neuen Missverständnissen denn leichterer Verständigung» führe.
Die Autorin Anita Vonmont ist Redaktorin des Nationalfonds-Magazins «Horizonte», aus dem dieser Artikel stammt.
Übernahme aus der Berner Zeitung «Espace Mittelland».

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