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Rechtschreibung: Zwischen Wunsch und Version

Einige Leser äußern den Wunsch, die Sprachnachrichten[SN, Organ des VDS Dortmund] mögen sich der neuen Rechtschreibung bedienen, wobei die klassische von 1901 als alt, veraltet bezeichnet wird. Fast immer lautet die Begründung, das sei jetzt so, man sei das neue gewohnt und die Mehrheit der Änderungen sei logisch. So wurde schon vor zehn Jahren argumentiert, als eine Hand voll selbst ernannter Reformer den Missstand „herbei führte“. Doch diese Argumente treffen nicht zu und die große Mehrheit gibt der klassischen Schreibung weiterhin den Vorzug. Aber es kommt auf Einzelmeinungen oder Mehrheiten gar nicht an, es geht um die Sache.

Schon die mit der Reform verbundene Absicht darf als verfehlt gelten: das Schreiben(lernen) zu erleichtern. Zudem werden Texte häufiger gelesen als geschrieben – und die vor dem Jahre 1996 geschriebenen verschwinden nicht etwa im Nichts.

Zumutbar sind weder grammatisch falsche Schreibungen (du hast Recht, es tat ihr Leid), das Auge verletzende Wortungetüme (Schlussszene, Schlammmasse) noch die Fülle widersprüchlicher Regelungen, sei es zum Stammprinzip, zur Drei-Konsonanten-Regelung oder zur Zusammen-/Getrenntschreibung. Arbeiten, die ständig nachgebessert werden müssen, ohne richtig zu werden, sind ungenügend.

Prof. Günther Drosdowski, seinerzeit Leiter der Dudenredaktion, urteilte trotz eigener Interessen an der Reform über die Rechtschreibkommission: „Ein Rüpelstück schon allein die Besetzung“. Lügen, Scheinheiligkeit und Ignoranz der Reformbefürworter bestimmen die Debatte, faßte im Jahre 2002 der scheidende Präsident der Akademie für Sprache und Dichtung, Christian Meyer, zusammen. Hans Magnus Enzensberger spricht von ungeheuerlichem Pfusch und formulierte es zwei Jahre später so: „Daß das schöne Wort Reform in Deutschland einen fauligen Mundgeruch angenommen hat, liegt nicht zuletzt an der Skrupellosigkeit einer Mafia, die sich vor Jahren in irgendwelchen Hinterzimmern zusammengerottet hat, um mit der deutschen Sprache gründlich aufzuräumen. … Ein Kreis von Legasthenikern, der es zu Ministerämtern gebracht hat, deckt, vermutlich aus Größenwahn und Eitelkeit, diese Leute.“

Welche Version der Reform lassen deren Befürworter gelten? Welche der Duden-Auflagen seit 1996 ist ihnen die richtige, die mit Stand von 1996, 1998, 2004, oder 2005/6? Reformen müssen ausgegoren sein, Änderungen sinnvoll sein. Was sagten die Befürworter wohl, wenn sie erführen, daß manche frisch reformierte Schreibung ins frühe 19. Jahrhundert zurückführt? Ihnen müßte die Neuschreibe überholt sein, nicht die bewährte, traditionelle Schreibung.

(Wörter in neuer Schreibung sind kursiv geschrieben).

W. Vorderwülbecke, Leserbrief vom 24. April 2006 an die Redaktion SN (Titel und Bearbeitung SKD)

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