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Konjunktiv „brauchte“ oder „bräuchte“?

Die Frage

Für mich klingt es sehr dümmlich. Und in der Schule war es früher ein dicker Fehler. Auch galt man nicht als besonders intelligent, wenn man es verwendete.

Heute jedoch höre ich es oft in den Medien. Unsere Politiker lieben es besonders, das abscheuliche Wort „bräuchte“.

Ich werde es bestimmt nie benutzen, doch hange ich vielleicht zu sehr an früheren, besseren Zeiten.

Darum, wie begegnen Sie diesem Wort?

L.W.

Die Antwort

Die Form „bräuchte“ ist eine relativ junge Neubildung in Analogie zu den anderen Modalverben. Zwar ist brauchen ursprünglich kein Modalverbum (wie können, dürfen, mögen usw.) und sollte daher mit einem Infinitiv + zu konstruiert werden (z.B. er braucht nicht zu kommen gegenüber er kann/darf/muss kommen), aber es ist heute zulässig, sowohl die Form bräuchte als auch brauchen ohne zu zu verwenden. bräuchte gilt als „umgangssprachlich“, bezüglich zu finden sich in den Regelwerken keine eindeutig verlässlichen Angaben.

Sprachwissenschaftlich gesehen gibt es nichts Falsches*), meist steht dieses bloß in Widerspruch gegen die amtlich festgelegte Norm. Wir haben sehr vieles in unserer täglichen Umgangssprache, das nicht die „Norm“ ist, aber vieles setzt sich im Laufe der Zeit durch und wird so zur Norm. So waren in meiner Schulzeit „wenn-Sätze würde-los“ und Plurale wie „Kästen, Wägen“ verboten. Auch am Tisch statt auf dem Tisch. Heute sind sie normal. Wie auch bräuchte und ich brauche nicht kommen.

*) „falsch“ ist keine sprachwissenschaftliche Kategorie, sondern eine der Sprachnormung (und somit der Schule, die dank verfehlter Schulpolitik sprachlich ohnehin überfordert ist – doch dies ist eine andere Geschichte).

Univ.-Prof. i.R. Dr. Heinz-Dieter POHL

e-Mail: heinz.pohl@chello.at

Noch eine Antwort

Sie sprechen vom Konjunktiv der Vergangenheit des Verbs brauchen. Laut Gr. Duden von 1983 lautet dieser Konj. „……ich BRAUCHTE/[eine Nebenform] BRÄUCHTE (bes. südd.:) eigentlich neue Schuhe…..“ In GRIMMs Wörterbuch gibt es einen recht alten Beleg unter dem Stichwort Gemeine.

Auch im Roman „Rasputin“ von Klabund (1929) heißt es „Wenn der Zar des Weges käme und ihn stellte: He, du da, wie heißt du? – er BRÄUCHTE nicht zu zittern. Keine Wimper BRÄUCHTE er bewegen.“

Viele Verben/Wörter haben Formvarianten mit und ohne Umlaut: BRAUEN BRÄUEN, DROHEN DRÄUEN,. Dies gilt auch für Ableitungen wie BRÄUCHIG = BRAUCHIG, vgl. GEBRÄUCHLICH, HAUER = HÄUER, im Präs. BACKT neben BÄCKT, umgekehrt auch FÄSST neben richtigerem FASST. LUTHER hatte sehr viele Formen wie KÄUFT, heute hat sich in der Standardsprache KAUFT durchgesetzt. Auch die Grammatiken erkennen oft Doppelformen an. Viele sind zunächst gleichberechtigt. Formen wie FRUG sind insofern falscher (aber in literarischen Texten kommt frug durchaus vor), als es hyperkorrekte starke Formen sind statt FRAGTE. BUK war die richtige starke Form, aber nun hat sich schwaches BACKTE eben durchgesetzt. Bei WINKEN gibt es aus alter Zeit starke GEWUNKEN und schwache Formen, SEEBOLD vermutet ein altes schwaches Verb.

Niemand zwingt Sie, diese im Standarddeutschen seltenere Form zu benutzen. Doch sollten Sie sich nicht allzusehr aufregen, wenn Sie Ihnen einmal zu Ohren oder Augen kommt.

Dr.W. V.

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