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Mit Frühenglisch zu einem neuen Sprachgraben in der Schweiz?

Die Ostschweizer Kantone haben sich entschieden: Die Kinder sollen in der Schule als erste Fremdsprache Englisch lernen. Die Nordwestschweizer Kantone, also auch der Kanton Bern, wollen bei diesem Projekt nicht mitmachen.

Das Seilziehen um die erste Fremdsprache, die in der Schule gelernt wird, geht in die nächste Runde: Gestern beschlossen die Ostschweizer Kantone, Englisch als erste Fremdsprache einzuführen. In den nächsten Wochen werden die Nordwestschweizer Kantone ihre Empfehlung verabschieden. Dort heisst die erste Fremdsprache: Französisch. Das bestätigte der Berner Erziehungsdirektor Mario Annoni, der mit der Ausarbeitung der Empfehlung beauftragt ist.

Einigung nicht möglich

Eine gesamtschweizerische Koordination ist vor gut einem Jahr gescheitert. Die Eidgenössische Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) konnte sich in der Frage nicht einigen, welche Fremdsprache als erste in den Schulen gelernt werden soll. Einig war man sich nur im Ziel: Am Ende der obligatorischen Schulzeit sollen die Jugendlichen in einer zweiten Landessprache und in Englisch vergleichbare Kompetenzen haben. Wie sie jedoch dieses Ziel erreichen, das bleibt den einzelnen Kantonen überlassen.

Neu wollen also die Kantone St. Gallen, Thurgau, Appenzell Innerrhoden und Ausserrhoden sowie Schwyz und Zürich gemeinsam vorgehen. Die Kantone der Zentralschweiz haben sich bereits vorher für Frühenglisch entschieden. Ausnahme ist der Kanton Graubünden. «Der dreisprachige Kanton Graubünden wird aufgrund seiner besonderen Situation abweichende Regelungen treffen», heisst es.

Die gleiche Situation gelte für die Kantone Bern, Freiburg oder Wallis, erklärt Annoni die Empfehlung der Nordwestschweizer Kantone. Zweisprachige Kantone würden zuerst die zweite Kantonssprache anbieten. Für den Kanton Bern heisst das also Frühfranzösisch. Die Westschweizer Kantone haben sich bereits für Deutsch als erste Fremdsprache entschieden und die Vorverlegung umgesetzt.

Kein Geld für die Umsetzung

Schwerwiegender als diese Zweiteilung in den Deutschschweizer Kantonen schätzt Annoni die Tatsache ein, dass die meisten Kantone wenig finanzielle Mittel zur Verfügung haben, um das Projekt Frühenglisch oder Frühfranzösisch umzusetzen. Auch die Ostschweizer Kantone haben lediglich ihre Absicht erklärt. Ein genauer Zeitplan steht noch nicht. Die Kantone müssten zuerst ihre finanziellen Situationen überprüfen, sagt Stauffacher. Im Kanton Bern sollen aufgrund der knappen Finanzen Prioritäten gesetzt werden. Regierungsrat Annoni erachtet dabei die Konsequenzen der Pisa-Studie als dringlicher als die Vorverlegung der ersten Fremdsprache. So sei zum Beispiel die Förderung der Lesekompetenz in der Erstsprache wichtig, sagt Annoni. So eindeutig sagt es der Sekretar der EDK-Ost nicht, aber auch er betont, dass man in der Ostschweiz aus der Pisa-Studie Konsequenzen ziehen muss.

Yvonne Leibundgut im Bund, 30.Oktober 2002 (gekürzt)

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