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Die amüsante Welt der Wörter

Ob «Kahnsinn» oder «Bohlenbrooks»: Mit einem undotierten Medienpreis
zeichnet das Verlagshaus Pons Journalisten aus dem deutschsprachigen Raum
aus, die neue Wörter erfinden.

Was macht originelle Neologismen und verblüffende Wortkombinationen
preiswürdig? «Dass sie wie der Blitz einschlagen, uns einleuchten, bevor
wir sie begriffen haben», sagt Literaturkritiker und Autor Andreas
Nentwich. Er hielt vergangenen Januar die
Laudatio bei der Verleihung des dritten Pons-Medienpreises. Nicht
Reportagen werden dort für einmal ausgezeichnet, sondern einzelne, in
deutschsprachigen Publikationen abgedruckte Wortkreationen, die durch
besondere Originalität auffallen. «Wir wollen zur Reflexion über Sprache
anregen und den geistreichen Umgang mit ihr in den Medien honorieren».

Knüller, die zur Heiterkeit Anlass geben

Tatsächlich handelt es sich bei den Sprachbasteleien um echte Knüller
talentierter Sprachspieler, die zu Heiterkeit Anlass geben. Dies zeigen
die Begriffe, denen es bereits zum medialen Siegeszug reichte. So
verhängte etwa der Lifestyle-Journalist Tobias Schönpflug über die
löffelrührende Kaffee-Latte-Macciato-Kultur den treffenden Begriff
«Espressionismus». Den Pariser Staranwalt Jacques Vergès, der nach Klaus
Barbie, Slobodan Milosevic nun auch Saddam Hussein verteidigen will,
nannte der «Spiegel»-Journalist Alexander Smoltczyk «Tyrannosaurus Lex» –
inspiriert vom Tyrannosaurus Rex, dem grössten Raubtier aller Zeiten.

Der «Berliner Kurier» erfand für den tragischen Helden der Fussball-WM
2002 das Wort «Kahnsinn», die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung»
für den sparwütigen Finanzminister Hans Eichel den vielsagenden Titel
«Sparminator» und der um die Welt jettende Papst wurde folgerichtig als
«Global Prayer» bezeichnet. Der Sprachwitz lässt Rückschlüsse auf
Kompetenz und Intellekt der Erfinder zu. Deshalb wohl fand auch die
Kreation «Bohlenbrooks» Gefallen, die den Kulturbetrieb um Dieter Bohlens
Bestseller bezeichnete, in Anlehnung an Thomas Mann.

Die Neuschöpfungen treffen allesamt elegant ins Schwarze und erscheinen
im Augenblick so zwingend, als habe es sie immer schon gegeben; zumindest,
als hätten wir sehnlichst auf sie gewartet, wie beispielsweise auf den
«Teuro», der in fünf Buchstaben den ganzen Missmut eines Volkes gegenüber
der neuen Währung zum Ausdruck brachte. Der «Teuro» wurde in Deutschland
zum Schlagzeilen-Klassiker, erfunden von einem
«Focus»-Redaktor. Er ist ein Zeuge seiner Zeit, wie auch der im Jahr
2000 von Pons prämiierte «Inder-Wahnsinn», mit dem ein «Stern»-Journalist
den Einstellungsboom indischer Informatiker so knapp und keck umschrieb.

Eintagsfliegen der Sprachschöpfung

In guter Erinnerung sind die Schimpfwörter für den
«Weichei»-Softie-Mann, über die wir uns weiland amüsierten. Gespannt
wartete man damals, ob die «Warmduscher», «Vorwärts-Einparker» und
«Frauen-Versteher» in den Karteikästen der Dudenredaktion Eingang finden
würden. Jetzt, vier Jahre später, wissen wir: der «Sauna-Untensitzer» ist
nicht zum umgangssprachlichen Wortgut mutiert. Er verlor sich als
Eintagsfliege im weiten Kosmos der Sprachschöpfung. Ein erfrischender
Wettbewerb à la Pons tut wohl; gerade jetzt, wo in regelmässigen
Abständen besorgte Linguisten – etwa wegen sich mehrenden Anglizismen –
die Verluderung der deutschen Sprache beklagen und eine vertrackte
Rechtschreibreform uns den Kopf zerbricht.

Es darf auch gelacht werden. Vor Jahren ernannte die Jury den
«Fertilisierungshebel» von Boris Becker zum Sieger, dessen sich eine
dunkle Gestalt in einer Besenkammer bediente. Der Begriff stand freilich
nicht – wie man vielleicht denken könnte – in «Playboy» oder «Bild»,
sondern im Fachorgan für hehre Debatten: in der achtunggebietenden
«Zeit».

Quelle: Internet (S. Windlin im Oltnertagblatt), gekürzt skd

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