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Xmas ist nicht nur ein schnödes Kürzel

Die traute deutsche Weihnacht ist gefährdet. Nicht nur durch den dicken
Abgesandten von Coca-Cola, der unser Christkind und unseren
Weihnachtsmann beiseite geschoben hat – auch durch die zu Santa Claus
passende englische Benennung: Christmas. Das Wort – bei uns meist falsch
„kristmes“ (statt „krismes“) ausgesprochen – wird immer beliebter, gern in
der Kurzform Xmas. Dieses Wort ist nicht nur unansehnlich, sondern klingt
auch noch durch drei aufeinander folgende Konsonanten kakophonisch, wenn man
es „eksmes“ ausspricht – und nicht „krismes“, was ja auch zulässig ist.

Xmas ist vor allem in der Werbesprache gängig, die den Menschen englische
Wörter als modisches Outfit verkaufen möchte. Da gibt es jetzt in der
Weihnachtszeit haarsträubende Angebote. Erträglich ist noch ein Soul- und
Gospel-Chor namens „Xmas Project“. Doch für einen „Schlagermove“ mit 38
„Musik-Trucks“, der am Samstag vor Weihnachten in Hamburg stattfand, gibt es
keine mildernden Umstände: Dort wird mit „Xmas-Kugeln“ Weihnachten gefeiert.
Einen Tag zuvor konnte man sich für einen guten Zweck an einer „Xmas-Aktion“
beteiligen. Und „Bild“ lud zur „Xmas-Party“ in den „Fun-Parc“ Trittau, für
die „heiße Xmas-Go-Gos“ versprochen wurden.

X für den ersten Buchstaben des Namens Christus

Angesichts des Xmas-Tsunamis ist der Verein Deutsche Sprache nicht untätig
geblieben und hat eine Flutwarnung herausgegeben: Xmas sei das
„überflüssigste Wort des Jahres 2008“. Überflüssig ist es in der Tat. Aber
man wird es nicht durch Anprangern eliminieren. Und zu behaupten, „dass bei
diesem Anglizismus sogar das Wort „Christ“ durch das schnöde Kürzel X ersetzt
wird“, führt in die Irre: X ist natürlich keineswegs ein schnödes Kürzel. Zum
Thema Kauflust vor Weihnachten: „Das Geschäft brummt“ Mit der Säge zum
Tannenbaum

Der Buchstabe ist zwar eine sprachliche Vielzweckwaffe und bedeutet etwa das
römische Zahlzeichen 10, die Unbekannte in einer mathematischen Gleichung,
die Längeneinheit für Röntgenstrahlen („X-rays“), einen Chromosomentyp, eine
unbestimmte Menge („x-mal“) oder gar Zufälligkeit („x-beliebig“). Doch im
Wort Xmas steht X für den ersten Buchstaben des Namens Christus – im
griechischen Alphabet.

Seit frühchristlicher Zeit finden sich als Abkürzung für den griechischen
Namen XPITO, der später im Lateinischen zu Christus wurde, die
Anfangsbuchstaben X (Chi) und P (Rho). Diese beiden Buchstaben wurden zu
einem Christusmonogramm (oder Christogramm) kombiniert – neben Kreuz und
Fisch dem wichtigsten christlichen Symbol, das schon der römische Kaiser
Konstantin im vierten Jahrhundert auf seinen Feldzeichen verwendete.

Dieses Wort ist allemal christlicher als unser trautes Weihnachten.

Bis in die Neuzeit wurde der erste Buchstabe X abkürzend für Christus
benutzt. Dieser Brauch hielt sich, allmählich seltener werdend, in England
bis heute. Und immer häufiger wurde auch die mit „Christ“ gebildete Kurzform
Xmas. Der erste Beleg für Xmas stammt aus dem Jahr 1551. Auch Autoren wie der
romantische Dichter Coleridge nutzten die Abkürzung. So schreibt er am 31.
Dezember 1801 an seinen Kollegen Southey: „On Xmas Day I breakfasted with
Davy.“

Xmas ist also im deutschen Wortschatz überflüssig – aber sein Gebrauch
verstößt nicht gegen christliche Sitten. Dieses Wort ist allemal christlicher
als unser trautes Weihnachten, das ursprünglich die heidnischen „heiligen
Nächte“ (mittelhochdeutsch „wihen nahten“) bezeichnet, in denen unsere
germanischen Vorfahren den Mittwinter feierten – feuchtfröhlich wie ihre
Nachkommen heute.

Theo Stemmler in der FAZ vom 24.Dez. 2008

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