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Nur noch «University of Berne?»

Fast 13000 Studierende bevölkern die Universität Bern, aber darunter habe es zu wenig Ausländer. So lässt sich der Vizerektor vernehmen, der mehr englischsprachige Lehrveranstaltungen wünscht. Auch studentische Forderungen gingen manchmal in dieselbe Richtung. Aber soll der ganze Lehrbetrieb auf Englisch umgestellt werden? Englisch ist die Sprache der Globalisierung geworden, sie öffnet Tür und Tor zur weiten Welt, und sie wird auch in der Schweiz zunehmend zur lingua franca, zur Umgangssprache, die uns aus dem nationalen Turm zu Babel führen soll. Für Forschende ist Englisch oft unentbehrlich.

Die Universitäten sind einem rauhen Kampf um internationale Anerkennung ausgesetzt. Da sind für relativ kleine Hochschulen besondere Anstrengungen erforderlich. Neben dem Heranzüchten einer Forscherelite und des akademischen Nachwuchses besteht nach wie vor die Grundaufgabe in der Berufsausbildung von Akademikern. Dabei werden Ärztinnen, Fürsprecher, Lehrerinnen, Naturwissenschafter, Pfarrerinnen und viele andere Studienabgänger weiterhin vor allem in einem heimischen Berufsumfeld tätig sein. In allen Berufen sind somit mutter- und landessprachliche Kommunikationskompetenzen für die künftige Berufspraxis gefordert, wobei leider oft sogar auf universitärer Stufe diesbezügliche Defizite bestehen. Den Gästen unter den Studierenden – Austauschstudentinnen, ausländische Absolventen – dürfte eine Immersion in unsere Landessprachen als ein Zusatznutzen ihres Aufenthaltes wohl bekommen. Wenn unsere Hochschulen künftig ausschliesslich auf einen Lehrbetrieb in englischer Sprache setzen, so löst dies einen gewaltigen Druck auf die Schulsysteme aller Stufen aus. Von der Volksschule an wird der Englischunterricht bald einmal nicht mehr als Fremdsprache, sondern als Schrift- und interregionale Umgangssprache deklariert. Damit werden mittelfristig die Landessprachen zu Dialekten zurückgestuft. Sind wir dann auf dem Weg zu einer neuen, importierten Nationalsprache? Nicht wenige Amerikaner waren schon immer der Meinung, Schweden und die Schweiz seien dasselbe und längst Englisch sprechend

Vor wenigen Jahren wurden mit der Bologna-Reform die Schweizer Universitäten grundlegend umgebaut. Sie brachte eine Abkehr von humanistischen Bildungsidealen und eine massive Verschulung des Lehrbetriebs, und zwar ohne breite gesellschaftliche und politische Diskussion. Die Umstellung auf einen englischsprachigen Lehrbetrieb entspräche einem weiteren einschneidenden universitären Meilenstein mit grosser kulturpolitischer Tragweite. Dies darf aber nicht als schleichende Entwicklung einfach hingenommen, sondern muss gut reflektiert und demokratisch abgestützt werden.

Für die Universitäten stellt sich heute die Kernfrage nach den Prioritäten: Geht es primär um die Förderung einer international konkurrenzfähigen Elite oder um die Qualität der Ausbildung für die vorwiegend einheimischen Absolventen und damit um optimale Berufsaussichten? Oder in Analogie zum Sport: Wollen wir nur Spitzen- oder auch noch Breitensport? Es geht an den Hochschulen auch um die alte Frage des Stellenwerts einerseits der Lehre und Ausbildung als Service public und anderseits der Forschung als wettbewerbsbestimmter und prestigeträchtiger Spitzenleistung!
Die Schweiz ist noch viersprachig – ein grosser Vorteil, den sie zu nutzen wusste: Nur die Mehrsprachigkeit führt uns aus dem Dilemma des babylonischen Sprachenwirrwarrs heraus und vermittelt Zugang zu verschiedenen Kulturen Denkweisen – eine breite Mehrsprachigkeit ist wichtiger als einseitige Coolness einer globalisierten Modesprache! François Jeanneret, Orvin

Aus der Berner Zeitung vom 26.Okt. 2007 www.espace.ch
(Reaktion auf Ausgabe vom 22.September «Andrang wie noch nie»)

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