„Was gegenwärtig mit der deutschen Sprache geschieht,…“
Friedrich Nauman Stiftung vom 12. November 2008
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Tag der deutschen Sprache
Prof.Dr. Schmitz und Prof. Dr. Krämer
„Was gegenwärtig mit der deutschen Sprache geschieht, speziell die Verdrängung
durch das Englische aus immer mehr Bereichen unseres Lebens, ist mehr als nur
ein Pausenthema für Deutschlehrer. Es geht uns alle weit mehr als die meisten
glauben, auch die Wissenschaft und vor allem die Wirtschaft.“ Mit diesen
Worten eröffnete der Vorsitzenden des Vereins Deutsche Sprache e.V., Professor
Dr. Walter Krämer (Universität Dortmund), eine Veranstaltung der
Friedrich-Naumann-Stiftung zum „Tag der deutschen Sprache“ am vergangenen
Samstag im Goethehaus am Großen Hirschgraben in Frankfurt am Main.
In den Mittelpunkt seines Themas „“Deutsch oder Denglisch – die Sprache
Goethes und Schillers auf dem Weg zu einem regionalen Pidgin-Dialekt“ belegte
Krämer den von ihm beklagten Sprachverfall und die kulturelle Selbstaufgabe an
vielen, in ihrer Absurdität bestechenden Beispielen. Die deutsche Sprache
leide unter einer „extremen Illoyalität“ all derer, die das Deutsche zunehmend
mehr zu vermeiden suchten.
„Der moderne Modell-Germane joggt, jumpt, trekkt, walkt, skatet oder biket,
hat fun und feelings, moods und moments, sorrows und emotions und scheint vor
nichts auf der Welt solche Angst zu haben, als davor seine eigene Sprache zu
benutzen. – Deutsch zu sprechen ist vielen Deutschen heute ganz offensichtlich
lästig oder peinlich“, so der Träger des „Deutschen Sprachpreises“ Walter
Krämer.
Mit seiner Bilanz der „Anglizismenschwemme“ verband der Referent die
Überzeugung, dass durch diese „Pidginisierung“ nicht nur die Sprache, sondern
auch das Denken leidet. Sprache ist mehr als nur eine Benutzeroberfläche, die
unserem Gehirn ermöglicht, mit der Umwelt in Kontakt zu treten, sie ist ein
Katalysator, ein Motor des Denkens selbst. „Wer keine guten Sätze bauen kann,
der kann auch keine guten Computerprogramme und auch keine guten Autos bauen.“
Das Unternehmen Daimler Chrysler habe seit der Einführung von Englisch als
Konzernsprache über 20 Milliarden Euro in den Sand gesetzt. Ähnlich
verlustreich sei es aus eben diesem Grund auch vielen anderen großen deutschen
Unternehmen mit ihren Engagements im Ausland gegangen. Ein Nicht-
Muttersprachler, der Englisch redet, sei dem Muttersprachler gegenüber immer
im Nachteil.
„In der Sprache BSE (Bad Simple Englisch) kann man weder klare noch innovative
Gedanken fassen. Indem wir uns diese moderne Billigsprache überstülpen lassen,
werden wir zu Sklaven einer angelsächsischen Denkweise und Weltansicht und
geben ohne Gegenleistung unsere eigenen komparativen Vorteile auf, die wir in
Deutschland immer noch besitzen“, sagte Krämer. der zugleich nachwies, dass
all dies vom Ausland als unwürdiger Anbiederungsversuch und Selbstverleugnung
werde.
In seinem Referat „Sprache in modernen Medien“ sah der Germanist, Linguist und
Sprachdidaktiker, Prof. Dr. Ulrich Schmitz (Universität Duisburg-Essen) nicht
so sehr diese auffälligen und manchmal als anstößig empfundenen Merkmale des
sprachlichen Ausdrucks, wie die Anglizismen als tiefen Eingriff in das
sprachliche System, als vielmehr grammatische Tendenzen.
Anhand zahlreicher Beispiele aus Presse, Fernsehen und Internet plädierte er
dafür, die historischen Bedingungen und deren Folgen zu erkennen und zu
verstehen und warb für eine umfassende Sorgfalt im Umgang mit Sprache.
Ein jahrtausendelanger Sprachwandelprozess gehe heute einher mit parallelen
Vorgängen auf der kognitiven und medialen Ebene. Traditionelle Textstrukturen
in großen Einheiten würden zunehmend abgelöst von Informationspräsentation in
kleinen Modulen. Beispiele dafür seien etwa die Titelseiten von
Online-Tageszeitungen, wobei sich dies tendenziell davor schon in klassischen
Zeitungen und Zeitschriften angekündigt habe.
Identität und Wandel der deutschen Sprache stehen in einem
Spannungsverhältnis, das hauptsächlich den jeweiligen
Kommunikationsbedürfnissen der Sprachnutzer unterworfen ist, sagte Schmitz. Im
großen Maßstab sei dies vor allem eine noch immer beschleunigt wachsende und
von den Medien getragene Kommunikationsdichte.
Schrift und Bild werden intensiver miteinander verknüpft, Grammatik werde
teilweise vom Design überlagert.
Sprachpflege heute hat erheblich umfangreichere und anspruchsvollere Aufgaben
als früher, betonte Schmitz. Es wäre fatal, wenn bewusster Umgang mit
sprachlichen Mitteln sich nur auf Rechtschreibung und Anglizismen
konzentrierte.
Für den Verein Deutsche Sprache e.V. verwies deren Sprecher Hans-Dieter Dey in
dieser mit weit über hundert Gästen gut besuchten Kooperationsveranstaltung
auf die eindrucksvolle Zahl von weltweit 25.000 Mitgliedern dieser „größten
Bürgerinitiative“.
Der „Tag der deutschen Sprache“ wurde von seinem Verein ins Leben gerufen, um
das Bewusstsein für die Schönheit und Ausdruckskraft der deutschen Sprache zu
stärken.
Marianne Wagner Regionalbüro Wiesbaden